Charles Chaplin, Paulette Goddard, Modern Times

weiter   zurück



STRASSE DER KOMIKER


Schon 1936, als Charlie Chaplin in Modern Times mit

Paulette Goddard die Landstrasse davongeht, ist

die Tradition der Filmkomiker nicht mehr ungebrochen.

Nicht absehbar ist aber 1975, als ich die Beiträge

zur Geschichte der Filmkomik versammle, dass Woody Allen der Letzte der Gattung sein wird.



               Fritz Hirzel, Strasse der Komiker.

               Versammelte Beiträge. Zürich 1975. Download.







Wie einer im anderen fortlebt, das zeigt die Tradition der grossen

Komiker, die sich durch die Filmgeschichte zieht. Mit Max

Linder fängt es an, an seinen Filmen inspiriert sich Mack Sennett,

der Begründer der Slapstick Comedies, zu deren Markenzeichen

die Keystone Cops und die Bathing Beauties wurden.

      Bei Sennett wieder lernt Charlie Chaplin, in seinen Studios

verbringt er das erste Filmjahr. Später nennt er Linder,

den in Amerika Erfolglosen, seinen Lehrer. Dessen Komödien

seien es gewesen, die ihn, den Zögernden, von den

Möglichkeiten des Films überzeugten.

      So fängt die Kette von Zitaten und Verweisen an, die sich

durch siebzig Jahre Filmgeschichte zieht. Jerry Lewis

zitiert Stan Laurel, Woody Allen nennt Groucho Marx kurzerhand

den Grössten.

      Hinter den Komikern aber wird eine Tradition sichtbar,

die hinabreicht zum harten Pflaster der Variétés und

Night Clubs. Solche Spuren nachzuzeichnen, soll der Sinn

der vorliegenden Sammlung von Beiträgen sein.


Die Golfpartie, die Oliver Hardy verpasst

Stan, der mit den Fingern so den Kopf kratzt, dass die

Haare ihm zu Berge stehen, die Augenbrauen

hochgezogen, im langen Gesicht mit weit gespanntem

Mund zu einem kreisförmigen Oval geschlossen.

Sein kindisches Losheulen, von dem er sagte, es sei ihm,

obwohl es ein sicherer Lacher war, als einziges

stets fremd geblieben.

      Ollie, der verlegen lächelnd mit der Krawatte winkt.

Seine Blicke, mit denen er entgeistert in die Kamera schaut,

Blicke, die oft deshalb so unendlich traurig und

fassungslos gerieten, weil Stan Laurel, der Kopf des Teams,

der alles, restlos alles, vom Drehbuch bis zum

Schnitt, selber zu betreuen pflegte, die Aufnahme in den

späten Nachmittag verlegte, wenn Oliver Hardy, der

um alles in der Welt abends noch eine Partie Golf zu spielen

liebte, seine Hoffnung schwinden sah.


Der Martini bei W. C. Fields am Drehplatz 

Während seiner letzten Filme hatte er nicht nur in der

Garderobe, sondern auch auf dem Drehplatz

seinen Martini stets bei der Hand. Als er gestorben war,

fand man in seiner Villa einige hundert Kisten Bier

sowie Vorräte an Gin, Whisky, Rum, Brandy, Vermouth

und Wein, die einer Spirituosenhandlung wohl

angestanden hätten.

      Wo er auf seinen Reisen um die Welt auch hingekommen

sei, erzählte Fields, „der Alkohol war der regierende

Geist”. Er soll es auf zwei Liter Martini täglich gebracht haben.

Aber er war nie betrunken. Er hasste Betrunkene. Als

ihm in The Christian Science Monitor Alkoholismus vorgeworfen

wurde, schrieb er dem Herausgeber, er habe in seinem

Leben nie einen Trunkenbold gespielt.

      „Wenn ich in einem Film spiele, in dem ich ein paar

Schlückchen nehme, um einen Lacher zu bekommen, so hoffe

ich, dass es Ihnen die Anekdote von Jesus, der aus

Wasser Wein macht, in Erinnerung ruft.”

      Fields litt unter Schlaflosigkeit. Ärzten misstraute

er gründlich. Der Alkohol, sagte er einmal, sei der beste Freund

des Menschen. Er benutzte ihn als Tranquilizer und

begann damit am frühen Morgen.

      Einem Arzt, der ihm in sechs Monaten den Tod

prophezeite, falls er das Trinken nicht aufgebe, gab Fields zur

Antwort: „Das ist genau, was ein deutscher Mediziner

mir in Baden-Baden schon vor fünfundzwanzig Jahren sagte.

Es freut mich zu sehen, dass ihr Ärzte wenigstens in

einem übereinstimmt.”

      Fields kaprizierte sich darauf, in der Filmindustrie

soviele Regeln und Gesetze wie nur möglich zu brechen. Einmal

liessen sie ihm freie Hand. Er raffte seine ganze geniale

Verrücktheit zusammen und führte sie zu einem Frontalangriff

gegen Hollywood und seinen Kino-Illusionismus. Daraus

entstand 1941 Never Give a Sucker an Even Break.


Nachsatz zu einer Nichtveröffentlichung

Hier versammle ich Beiträge zur Geschichte der Filmkomik.

Lehrreich ist dabei nicht zuletzt die Beobachtung der

Grenze dessen, was Anfang 1970er in Zürich publiziert werden

kann. Und was nicht.

      Für den Beitrag über W. C. Fields – Aus dem Leben

eines Exzentrikers – hat der NDR mir zur Visionierung der

Filme eine Woche lang einen Schneideraum zur

Verfügung gestellt. Der Text entsteht als Auftragsarbeit.

Nur hat der Auftraggeber ihn nie veröffentlicht.

      Filmkomik hat mit Witz zu tun. Witz ist im Magazin

des TagesAnzeigers in Zürich schon schwierig

unterzubringen, aber durch Witz mit Gin erreicht ein

regelmässiger Mitarbeiter endgültig die

Grenze der Kapazität.

      Auf den Verdacht, dass es mit Alkohol zu tun hat, komme ich,

als ich den Beitrag nach langer Zeit und fern von Zürich

wieder lese. Den Gin mischt W. C. Fields dem Orange Juice

bei, den er auf dem Drehplatz in Hollywood

reichlich genehmigt. Da scheut die Redaktion in Zürich.



Inhalt  

     Ursprünge

      Max Linder / Sein Lebenslauf – Toujours Max –

Made in USA

      Charlie Chaplin / Wie der Tramp entstand* –

Verwandlungen einer Figur*

      Buster Keaton / Der Jüngling aus der andern Welt*

      Harry Langdon / Ein Zierfisch, der nach Liebe schnappt*

      Laurel und Hardy / Das ungleiche Paar*

      Marx Brothers / Mark Twains Erben in Aktion*

      W. C. Fields / Aus dem Leben eines Exzentrikers

      Jerry Lewis / Ein Wink zurück* – Der Laufbursche am

Dirigentenpult

      Woody Allen / Der Leichtfüssige über dem Abgrund*


Die mit * gekennzeichneten Beiträge über Komiker sind in

TagesAnzeiger oder Das Magazin erschienen.


weiter   zurück


Buster Keaton,

portraitiert von Pierre Etaix