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WAS IST SWING?


SS steht für Schutzstaffel. Die SS durchsucht

gerade das Delphi. Der Truppführer schaut Teddy

Stauffer verständnislos an. „Spielen Sie

keine deutsche Tanzmusik?“ Da gibt der Bandleader

den Einsatz für Bei mir bist du schön.



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                                                     Teddy Stauffer, Original Teddies

Swing ist Leichtigkeit, Swing ist das Schwebende,

Mitreissende, das federnd vorwärts Treibende, Swing ist das

mühelose gemeinsame Abheben, Swing ist die

Schubkraft, die Wucht, Swing ist der Sog, das Glück.

      Ist es das, was Teddy Stauffer durch den Kopf geht?

Die SS durchsucht gerade das Delphi. Der

Truppführer schaut Teddy Stauffer verständnislos an.

Schliesslich sagt er: „Spielen Sie keine

deutsche Tanzmusik?“

      Was will er? Den Horst-Wessel-Marsch? Ein Gedanke,

den Teddy Stauffer sogleich verwirft, indem er

mit den Fingern schnippt und seinen Musikern zuruft:

„Los, Boys, die Nummer 142!“

      An den Fortgang der Geschichte erinnert sich

Teddy Stauffer drei Jahrzehnte später:

„Auf den Notenpulten des Orchesters erscheint

der Schlager Bei mir bist du schön. Die SS-Männer

sehen den deutschen Titel und schmunzeln

vergnügt.“

      „Sie haben keine Ahnung, dass Bei mir bist du schön

so etwas wie eine jüdische Hymne ist.

Wir haben noch nicht die Hälfte gespielt, als der Boss

der SS-Leute wütend abwinkt. ,Das klingt

genauso amerikanisch wie der jüdische Dreck davor!´

schreit er mich an.“


Heil Benny Goodman!

Amerikanisch? Jüdisch? Das ist es, denkt Teddy Stauffer.

Wer weiss schon, was er macht? Teddy Stauffer

schnippt entschlossen mit den Fingern. Das muss Benny

Goodman sein. „Bugle Call Rag, bitte.“ Er gibt

Zeichen, im Marschtempo zu spielen.

      „Der Schlagzeuger beginnt, im Schweizer Soldaten-Stil im

Marschtempo zu trommeln. Nach drei Paukenschlägen

setzen alle mit Volldampf ein, stehen auf und marschieren auf

der Stelle im Takt mit. Auch das Publikum marschiert.

Sitzend. Alles klatscht und marschiert.“

      „Dann kommt das Trompetensolo. Und da übertrifft sich

Riquet Schleiffer etwas und schmuggelt in den Bugle Call Rag

Motive aus dem Horst-Wessel-Lied ein.“

      Die Herren sehen sich ratlos an, tuscheln miteinander,

können Teddy Stauffer aber nicht sagen, was Swing

ist. Schliesslich verabschieden sie sich mit bösen Blicken

und einem kräftigen „Heil Hitler!“

      „Heil Benny Goodman“, quittiert der Klarinettist

Ernst Höllerhagen. Ein paar drehen sich um und glotzen

den Klarinettisten an. Offenbar wissen sie nicht,

wer Benny Goodman ist. Vielleicht halten sie ihn für eine

neue Nazigrösse.


      Die Horst-Wessel-Marsch-Episode stammt aus

Teddy Stauffer, Es war und ist ein herrliches Leben.

Berlin 1968. Verfasst hat die Memoiren nicht Teddy Stauffer,

sondern Fritz Langour, der verschiedenste Bücher

veröffentlicht, unter anderem auch einen Titel

wie Naturheilkunde – Langour ist kein Swing-Fan, er ist

ein Hitlerjunge gewesen, bei der Reichspogromnacht

1938 ist er elfjährig.


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