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PICS ABENTEUER
Fritz Hirzel, Filmgroteske Falsch parkiert aus der
unrealisierten Serie Pics Abenteuer. Das Scenario ist
handschriftlich datiert mit September 1971.
1. Magazin-Schuppen
Aussen. Morgen. Halbtotale, dann Halbnah. Travelling
auf Schuppentür zu, die sich öffnet, wieder zuklappt und sich
wieder öffnet. Umständlich windet sich Pic daraus hervor.
In den Händen trägt er mehrere langstielige Schrubber und Besen,
aber auch Eimer aus Plastik, an der Schulter hat er eine
blaue Leiter eingehakt. Er verheddert sich mit dem Gerät in der
Schuppentür, kommt vorwärts, rückwärts, bis es klappt.
Pic hat eine blaue Latzhose an, darunter trägt er ein weisses
Hemd mit grosser Krawatte. Die Eimer sind rot, einer
weiss, die Schrubber gelb, ein Besen braun. Nachdem Pic
die Tür hinter sich hat, wendet sich sein Krauselkopf
mit dem halblangen Haar der Kamera zu. Er macht ein paar
Schritte nach vorn, die Kamera nimmt seine Figur,
den Typ, in die Bildmitte und fährt, ihn begleitend, langsam
zurück. Ein dunkelroter Renaud 4 wird sichtbar, in den
Pic sein Putzzeug hineinpackt. Zuerst stellt er die Eimer, dann
die Schrubber hinein, nimmt darauf beide wieder heraus.
Die Schrubber klemmen, Pic stemmt an, stürzt rückwärts, kann
sich gerade noch auffangen. Nun schiebt er zuerst die
Schrubber, dann die Eimer in den Packraum. Auf dem Dach
des Autos wird eine Reklametafel mit Aufschrift sichtbar:
Reinigungs-Service. Pic steigt ein, jaulend springt der Motor an,
der Wagen schüttelt sich und Pic fährt aus dem Bild.
2. Autofahrt
Aussen. Totale. Pic fährt. Sein kastenförmiges Mobil,
dem die Reklametafel eine ungebührende Grösse verleiht, wird
von anderen Wagen rücksichtslos überholt. Eine Dame
mit MG-Sportwagen, ein dicker Herr im Mercedes, ein Chauffeur
mit Saurer-Lastwagen fahren vor. Pic passiert eine
moderne, hoch geschwungene Brücke mitten im Stadtgebiet:
Schwenk, Vorspann-Daten. Aufgereiht in wartender
Kolonne erscheinen der Chauffeur mit dem Saurer-Lastwegen,
der dicke Herr im Mercedes und die Dame im MG-Sportwagen,
die alle in einer Autoschlange blockiert sind. Pic überholt
sie winkend auf einer unbenutzten Fahrspur daneben. Schliesslich
kommt er an einem mit leuchtend oranger Weste ausstaffierten
Arbeiter vorbei, der den Verkehr durch die Baustelle dirigiert und die
Signaltafel in seiner Hand eben von grün auf rot dreht.
So kann Pic hinter seinem Rücken kurz vor dem drohend aufgetauchten Bretterverhau noch knapp in die korrekte
Fahrbahn hinüberwechseln
3. Büro-Hochhaus
Aussen. Halbtotale. Pic steuert den Reinigungs-Service
auf den Vorplatz eines Büro-Hochhauses mit weit über zehn
Etagen, das links im Bild angeschnitten, jedoch nicht
in seiner ganzen Höhe sichtbar ist. Er stoppt, der Renaud
schaukelt und quietscht gewaltig. Pic steigt aus, geht
nach hinten und beginnt seine Geräte auszuladen, während die Kamera auf ihn zufährt. Dann trägt er das Putzzeug
auf den Reinigungskran, der an der Fassade schon bereithängt.
Er will selber aufsteigen, stolpert, und schafft es bei
hochgehendem Traggestell noch im letzten Moment. Pic
entschwebt. Die Kamera schwenkt in leichtem Zoom
mit ihm in die Höhe. Erstmals erscheint nun in ihrem riesigen
Ausmass die gesamte Hausfassade, die nur noch von
Himmel umgeben ist.
4. Fassade
Aussen. Halbnah. Links oben an der Fassade, vor dem ersten
Fenster, mit Blick ins Büro. Pic hantiert, Rücken zur Kamera,
mit seinen Geräten. Im Fenster entdeckt er ein Mädchen, Lili, die
allein im Büro sitzt und gerade ein Telephongespräch
führt. Pic klopft an die Scheibe.
5. Büro
Innen. Halbnah. Im Buro, mit Blick nach Aussen. Lili, seitlich
im Bild, schaut auf und bemerkt Pic, den Fensterputzer, der an der
Fassade hängt und mit ihr zu flirten beginnt. Über den Mann
in schwindelnder Höhe draussen scheint sie nicht allzu entsetzt
zu sein. Sie ist überrascht im ersten Augenblick, nicht
abgeneigt im zweiten, sich während ihres Telephongespräches
eine Ablenkung fürs Auge gefallen zu lassen.
6. Seifenblasen
Innen, nach Aussen. Näher am Fenster, dessen Rahmen
die Kamera umfasst. Hinter der Glasscheibe Pic, der sich mit
einer tänzerischen Einlage um das Mädchen bewirbt.
Musik. Hauptattraktion seiner Seifenblasen-Nummer sind
kopfgrosse, leuchtende Kugeln und meterlange Würste,
die er in grosser Zahl aus dem Eimer hervorzaubert.
7. Büro
Innen. Halbnah. Büro, mit Blick durchs Fenster. Lili, seitlich
im Bild, den Hörer mit der Schulter ans Ohr gepresst applaudiert
spontan. Sie wird aber gleich von ihrem Gesprächspartner
in die Telephon-Realität zurückgeholt, nimmt den Hörer vom Ohr
und hat plötzlich dessen gehässige Reklamationen in ihrem
Gesichtsausdruck abgebildet. Pic, hinter dem Fenster draussen,
greift zum Schwamm und schreibt auf die Scheibe: 18 Uhr
im Café. Es geschieht sehr rasch, begleitet von ein paar
erklärenden Gesten zum Rendezvous. Die Handlung beidseits des
Glases ist in der Verabredung endlich zusammengekommen,
doch es wird Pic noch unendliche Mühe bereiten seinen raschen
Erfolg auch einzulösen.
8. Fassade
Aussen. Oben. Der Fensterputzkran hängt nun schon tiefer.
Pic, angeschnitten in der rechten unteren Bildecke, tunkt gerade
einen Lappen in den Wassereimer. Eine dicke Tippmamsel
hinter der Glasscheibe hat eine Tefel Schokolade in der Schublade
des Pultes liegen. Sie isst, fühlt sich ertappt und schliesst
beschämt die Schublade wieder zu. Pics Blick fällt in die Tiefe,
auf den Vorplatz, wo breit und schwer ein Polizist um die
Ecke kommt. Der Polizist bleibt stehen, wippt mit den Absätzen
und betrachtet sich bedächtig, fast schwerfällig das falsch
parkierte Auto des Reinigungs-Service. Die Kamera bleibt an Ort:
Halbnah oben mit Pic im Vordergrund, Schwenk für Totale
nach unten, Zoom auf den Polizisten.
9. Vorplatz
Aussen. Unten. Halbnah. Der Polizist steht neben dem
Auto mit der Reklametafel Reinigungs-Service. Er greift sich
ans Kinn, sinniert: Was machen wir da? Er zieht den Hut,
entnimmt ihm einen Block und setzt den Hut wieder auf. Dann
schreibt er die Autonummer auf einen Bussenzettel,
den er mit Eleganz hinter den linken Scheibenwischer klemmt.
Jetzt erst bemerkt er Pic, der hoch oben an der Hausfassede
baumelt. Er geht langsam ein paar Schritte vor und ruft:
He, Sie da oben, ist das ihr Auto? Das muss weg hier!!! Er hat
sogar die Hand zum Mund erhoben, einen Trichter bildend,
um lauter rufen zu können. Die Kamera ist mit ihm gegangen und
hält ihn zuletzt in einer Amerikanischen fest.
10. Fassade
Aussen. Oben. Pic nah im Vordergrund, dahinter Totale nach
unten mit dem Polizisten. Pic hat die Hand ans Ohr gelegt,
kann aber nicht verstehen, was der Polizist ihm zuruft. Um besser
zu hören, neigt er sich vor. Pic ruft: Was ist!?! Zu sich selber
sagt er: Was hat er nur? Er beugt sich Ieicht vornüber. Sein Knie
stösst an den Wassereimer, der langsam kippt und
überschwappt.
11. VorpIatz, Treppenhaus
Aussen. Unten. Amerikanische. Der Polizist hat eben den Hut
von seinem Haupte genommen, um den Block mit den
Bussenzetteln wieder zu versorgen, und ereifert sich laut brummend
im Selbstgespräch: So, das wäre ja noch schöner!, als ihn
von oben überraschend der Inhalt des Wassereimers erreicht. Patschnass steht er da, in seiner schönen Uniform, und
schreit mit wilder Handbewegung hinauf: Aus dir mach ich....
er hält inne, verlegen, überlegt, dann laut: ...Hackfleisch!...
darauf leiser wieder, wie zu sich selber: ...Nein, Fischkleister mach
ich aus dem! Er malmt mit den Fingern. Dann setzt er den
mit Wasser gefüllten Hut auf, wird noch einmal ganz nass und
rennt in seiner bärenhaften Leibesfülle wie eine Furie zum
Portal ins Büro-Hochhaus. Kamera nach. Innen, hinter der Glastür,
sieht der Polizist gerade noch, wie ihm ein Lift vor der Nase
wegfährt. Erregt betätigt er den Knopf für den anderen Lift daneben, kann aber nicht warten und rennt armeschwingend treppauf.
12. Fassade
Aussen. Oben. Nah, auf dem Putzkran. Pic greift nach dem
kippenden Wassereimer und stellt ihn wieder gerade: ...
Und du bleibst hier! Er nimmt die Arbeit wieder auf und fährt in
grossen Bewegungen mit dem Schrubber über das Fenster.
13. Treppenhaus
Innen. Halbnah. Einige Etagen höher, Treppenhaus vor den
Aufzügen. Ein Büromädchen tritt mit einem Berg von
Umdruckpapier auf den Händen aus dem Lift, wird vom ungestüm
treppauf eilenden Polizisten fast überrannt und lässt vor
Schrecken die ganze, so ordentlich aufgeschichtete Beige zu
Boden fallen. Die Drucksachen flattern herum, der Polizist
tritt im Spurt auf ein Blatt Papier, das ihm just vor die Beine geflogen
ist, kommt beinahe zu Fall und fängt sich nur mit rudernden
Armen wieder auf.
14. Fassade
Aussen. Nah. Auf dem Putzkran an der Fassade, bereits
etwas tiefer. Pic müht sich ab, ohne dass die Glasscheibe klar
und sauber wird. Im Raum dahinter findet gerade eine
Konferenz statt, und der Rauch der qualmenden Männer mit
ihren Zigarren, deren Format getreulich die Hierarchie
der Versammelten abbildet, färbt die Innenseite des Glasfensters
gelblich. Pic beginnt allein schon bei ihrem Anblick zu husten,
die Männer schauen unwillig auf und klopfen gewichtig die Asche
ab. Pic, der die Nutzlosigkeit des Reinigungsversuches
einsieht, schaukelt mit dem Putzkran weiter.
15. Treppenhaus
lnnen. Halbnah. Treppenhaus vor den Aufzügen, einige
Etagen höher. Stef, ein Typ mit dunkler Brille und Mappe, tritt
eilig hinter der Wand rechts zurück, als er von der Treppe
her die polternden Schritte hört. Der Polizist rennt schnaubend
und unaufhaltsam an ihm vorbei treppauf. Er wischt sich
auf der Geraden mit dem Taschentuch den Schweiss von der
Stirn. Eine Pause gönnt er sich nicht.
16. Fassade
Aussen. Nah. Putzkran, ein Stück tiefer. Pic hält mit dem
Fensterreinigen inne. Er sieht durch das Fenster, wie Stef mit
Handschuhen im leeren Büroraum am Kombinationsschloss
des Tresors herumfingert und immer wieder verstohlen um sich
schaut. Pic beobachtet Stef, den Ganoven, der den
Fensterputzer jedoch nicht bemerkt. Endlich springt der Tresor
auf, der Typ mit der dunklen Brille macht eine freudige
Geste und füllt ganze Bündel von Banknoten in seine Mappe.
Einige Etagen über Pic öffnet sich ein Fenster, aus dem
leibhaftig der Polizist auftaucht. Er fuchtelt mit dem Zeigefinger:
Dort, dort ist er! Pic schiebt sich mit dem Kran ein Fenster
weiter. Er arbeitet jetzt noch schneller, fast schon wie ein Verfolgter
auf der Flucht. Seine Situation an der Aussenseite der
Fassade wird prekär.
17. Treppenhaus
Innen. Halbnah. Treppenhaus vor den Aufzügen, dieselbe
Etage wie vorhin. Stef tritt rasch hinter der Wand zurück, als er von
der Treppe her erneut polternde Schritte hört. Der Polizist
rennt wild gestikulierend an ihm vorbei treppabwärts.
18. Fassade
Aussen. Nah. Pic reinigt in ungeheurem Tempo ein Fenster.
Eine Etage darunter wird ein anderes aufgerissen. Der Polizist
steckt seinen Kopf heraus. Er hat sich schon wieder
verrechnet. Pic zeigt ihm mit Fingerverrenkungen verwirrend
und schalkhaft den Weg, der aber so kompliziert
herauskommt, dass es sich nur um einen Irrweg handeln kann.
Dann schiebt er sich mit dem Putzkran an der Fassade
weiter, der Polizist im Fenster wettert drohend herauf.
19. Büro
Innen. Halbnah. Büro. Blick zum Fenster. Der Polizist sperrt
nun genau das Fenster auf, mit dessen Reinigung Pic eben fertig
geworden ist. Nur eine blitzartige Flucht mit dem Putzkran
zur Seite rettet den Fensterputzer vor dem Zugriff des Polizisten,
der schon die Hand nach ihm ausgestreckt hat.
20. Portal, Lifte
Aussen. Halbnah. Pic ist unten an der Fassade angelangt.
Er kommt mit dem Putzkran zum letzten Fenster. Der Polizist
versteckt sich im Glasportal. Dann tritt er hinter ihn und
legt ihm die Hand auf die Schulter, als Pic mit der Fensterreinigung fertig ist: Endlich hätten wir dich, du sauberes... Pic,
schon in der Falle, betätigt plötzlich den Aufzug des Putzkrans.
Der Polizist hängt sich dran, wird in die Höhe gerissen
und fällt zu Boden. Pic lässt sich wieder heruntergleiten, steigt
eilig aus, geht ins Portal und nimmt den Lift rechts nach
oben. Mühsam erhebt sich auch der Polizist, wischt die Hose ab,
reinigt die Uniform. Nach dieser erneuten Niederlage
kann er nun erst recht nicht mehr aufhören. Zuviel hat er schon
eingesteckt. Gemessenen Schrittes geht er ebenfalls
zu den Aufzügen, wartet eine Weile, bis der Lift links nach unten
kommt und anhält. Ihm entsteigt Stef, in der Hand die
Mappe mit den Banknoten, die er angesichts des Polizisten
entsetzt fallen lässt Überstürzt will er dem Ausgang
zustreben, der Polizist hält ihn jedoch zurück: He, Sie, ihre Mappe, nehmen Sie die nur mit, wer weiss, was es da drin hat!
Er reicht ihm die Mappe aus dem Lift. Während Stef mit dem
kostbaren Stück das Weite sucht, fährt der Polizist nach
oben, um endlich Pic zu erwischen. Die Kamera verharrt unten
vor den beiden Aufzügen und zeigt das Geschehen aus
dieser Perspektive. Nachdem Stef sich staunend entfernt hat,
erscheint der Lift rechts mit Pic wieder unten. Dieser steigt
aus, zählt das Geld für die Fensterreinigung, steckt es ein, als es
stimmt, und geht hinaus zu seinen Geräten. Er lädt sie ins
Auto und fährt mit dem Reinigungs-Service aus dem Bild, als der Polizist unter wieder auftaucht, stehen bleibt, die Arms
in die Hüften stemmt und ihm traurig nachschaut.
21. Strasse
Aussen. Halbtotale. Stef schaut sich ängstlich nach rechts
und nach links um. Hastig überquert er mit der Mappe die Strasse.
Von links fährt ein VW ins Bild, stoppt brüsk, sodass Stef
die Mappe verängstigt noch enger umfasst und enteilt, um sein
Geld in Sicherheit zu bringen.
22. Präzisionsuhr
Aussen. Amerikanische. Links im Bild der wartende Boss
mit Hut und Zigarre im Maul, den Blick auf seine Armbanduhr gerichtet. Rechts im Bild an der Fassade hinter ihm eine supermoderne,
vollautomatische Präzisionsuhr mit fortlaufend nummerierender Zahlenreihe, die auch Sekunden und Zehntelsekunden
angibt. Der Boss nimmt die Zigarre aus dem Maul. Er schimpft
wüst vor sich hin: Den Hals will ich ihm umdrehen, wenn
er nicht zur Zeit kommt! Hinter ihm laufen an der Präzisionsuhr
die Zeitangaben von 12.59.50.0 bis 12.59.55.0 ab. Während
der Boss zum Countdown übergeht und mit der Armbanduhr zerknirscht vier, drei, zwei, eins, null vor sich hinzählt,
rechnet die Präzisionsuhr an der Wand gleichsam hinter seinem
Rücken in umgekehrter Reihenfolge mit. Es laufen die
Zeitangaben von 12.59.56.0 bis 13.00.00.0 Uhr. Schlag dreizehn
kommt atemlos Stef mit der Mappe ins Bild gelaufen:
Hat alles wie am Schnürchen geklappt, Boss. Der Boss wendet
sich nach vorn zum Amerikanerwagen, der von rechts ins
Bild fährt: Da hast du aber Schwein gehabt. Sie steigen ein, der
Wagen fährt weg.
23. Zoo-Eingang
Aussen. Halbtotale. Zufahrt zum Zoo. Links Kasse und Eingang,
in der Mitte ein Gittertor quer über die Strasse, rechts im Bild
eine Drahtschwingtüre als Ausgang. Ein Wächter befördert durch
die Schwingtüre gerade einen Knirps wieder zum Zoo
hinaus, der offenbar kein Billet hat. Nun steht der Junge vor
dem Gitter, Hände in den Hosentaschen, und drückt
sich die Nase platt. Von der Kameraseite her fährt Pic mit dem
Reinigungs-Service vor und stoppt vor dem Gittertor.
Im Kassahäuschen sagt ein zweiter Wächter zum Fräulein:
Der Putzer ist wieder da. Ich geh mal aufmachen. Er
macht sich auf das Gittertor zu öffnen. Pic winkt vom Auto aus
dem Jungen, der ohne Zögern in den Wegen steigt.
Der Wächter öffnet das Tor und sagt, während Pic mit dem
Reinigungs-Service durchfährt: Ah, Sie sind heute zu
zweit. Bevor er richtig Gas gibt, erwidert Pic noch: Er ist mein
neuer Mitarbeiter. Zurück bleibt der Wächter, der das
Tor wieder schliesst und den Kopf schüttelt: Mir ist, ich hätte
den Knirps schon einmal gesehen.
24. Amerikanerwagen
Innen. Nah. Im Bild der gepolsterte Rücksitz des fahrenden Amerikanerwagens. Rechts sitzt der Boss, der Dreiviertel
des Sitzes allein einnimmt. Links von ihm drückt sich Stef in die
Ecke, der die Mappe eisern an sich presst. Nachdem
der Boss eine neue Zigarre angebrannt hat, zitiert er wieder
einmal sich selber: Und du siehst, wenn ich sage, bei
mir läuft alles pünktlich, dann läuft alles pünktlich. Ein kurzer
Knall erschüttert den Wagen. Das Auto beginnt zu rumpeln
und kommt zum Stehen.
25. Aquarium
Innen. Halbnah. Pic steht vor einem grossen Aquarium,
dessen Glasscheibe er reinigt. Im Wasser schwimmt ein grosser
Fisch, der nach Luft schnappt. Pic ahmt ihn nach, putzt
dann weiter. Hinter dem Glas im Wasser nun ein winziges
Fischchen, das Pic ebenfalls imitiert, bevor er einen
Fisch aus dem Aquarium nimmt um auch ihn zu reinigen.
Von links kommt ein Wächter mit Mütze: Das nicht,
das! Er zeigt aufs Glas des Aquariums, nimmt Pic den Fisch
aus der Hand und gibt ihn dem Wasser zurück. Pic
nickt verwundert: Aha, das nicht! Er putzt weiter am Glas,
der Wächter entfernt sich. Ungläubig schaut Pic in den
Eimer mit Seifenwasser, der neben ihm steht: Ein Fisch ist drin.
26. Pannendreieck
Aussen. Halbnah. Im Hintergrund, mehr als bildfüllend,
der Amerikanerwagen. Davor kniet rechts aussen
auf dem Trottoir Eddie, der Chauffeur, der mit Wagenheber und Ersatzrad am rechten Vorderrad des Autos beschäftigt ist.
Stef und der Boss sind ebenfalls ausgestiegen. Beide stehen
mit Blick zur Kamera vor dem Amerikanerwagen, an den
sie sich leicht anlehnen. Stef hält die Mappe umklammert. Der
Boss will sie an sich nehmen, zieht an ihr: Lass mich
die Mappe tragen. Doch Stef wehrt ab: Danke, es geht schon.
Der Boss darauf mit schallendem Lachen: Recht so.
Was man hat, soll man nicht aus der Hand geben, hab ich
immer gesagt. Der Polizist kreuzt auf. Er kommt von
links her ins Bild und salutiert freundlich mit der Hand: Pech
gehabt, ja, kann’s schon geben. Der Boss feixend:
Das kann man wohl sagen. Der Polizist kommt zur Sache:
Aber Sie sollten trotzdem ein Pannendreieck aufstellen,
meine Herren. Der Boss lenkt ein: Wird gemacht, sofort, hörst
du, Eddie. Der Chauffeur dreht sich um: Ein Moment,
ich muss nur noch die Schraube zudrehen. So, das wär erledigt.
Einsteigen, Boss. Eddie zwinkert dem Boss zu. Er rollt
das kaputte Rad an den Herumstehenden vorbei nach hinten
zum Kofferraum. Stef wendet sich erleichtert an den
Polizisten: Ja, da brauchen wir jetzt wohl kein Pannendreieck
mehr aufstellen. Darauf der Polizist haarscharf: Aber
haben müssen Sie eins. Er geht mit Eddie nach hinten: Ja, wo
haben Sie’s denn, das Pannendreieck? Eddie verliert
die Nerven: In der Unterhose vielleicht. Der Polizist: Werden
Sie nicht ungebührlich. Der Boss beschwichtigt, mit
Zeichen zu Eddie: Ach, das war nicht so gemeint. Auch Stef:
Nein, nein, ganz bestimmt nicht. Der Polizist: Das will ich
auch meinen. Sie wissen doch ganz genau, dass Pannendreiecke
obligatorisch sind. Der Boss: Zeig’s ihm schon, Eddie,
im Kofferraum ist es. Der Polizist: Kann ich’s mal sehen? Eddie
macht den Kofferraum auf. Der Polizist guckt hinein. Dann
wendet er sich triumphierend an den Boss: Da ist aber keins!
27. Polizeikommissariat
Innen. Halbnah. Schuss, Gegenschuss. Das eine Bild zeigt
den Wachtmeister hinter dem Schreibpult, neben ihm
steht der Polizist, der sich in gewichtiger Positur aufgepflanzt hat.
Das andere Bild zeigt das Ganoventrio auf der Holzbank
hinter der Abschrankung, den beiden Polizisten genau gegenüber.
Links sitzt Stef, in der Mitte breit der Boss und rechts Eddie.
Sie sehen ausgesprochen unglücklich aus. Stef hat die Mappe
mit dem Geld auf seinen zitternden Knien deponiert. Der
Wachtmeister, sitzend, spricht: Wir erfüllen auch nur unsere
Pflicht. Und vor dem Gesetz, meine Herren, sind
alle gleich. Zu jedem Auto, auch zum teuersten, gehört ein
Pannendreieck. Wir können da keine Ausnahme machen,
meine Herren, Sie werden das verstehen. Wer kein Pannendreieck
mit sich führt, kann mit Busse bis zu hundert Franken bestraft
werden. Auf seinem Pult kIingelt das Telephon. Der Wachtmeister
nimmt ab: Ja, Wache Torlikon, ja, am Apparat. Grüss dich,
Emil. Was? Nein, was du nicht sagst! Eine Million gestohlen im
Hochhaus bei Ärmel & Ärmel. Ja, ich komme sofort hinüber.
Er legt auf, wendet sich eilig an das Ganoventrio auf der Wartebank:
Das macht zwanzig Franken Busse für Sie! Er verlässt
den Raum. Der Polizist kassiert beim Boss die Busse. Die drei
Ganoven ziehen ab. Stef vergisst vor lauter Aufregung
schon wieder die Mappe. Der Polizist reicht sie ihm nach. Er ist
sogar zu einem Witz aufgelegt: He, Sie da, ihre Mappe!
Wenn Sie die Million von Ärmel & Ärmel da drin hätten, würden
Sie wohl das Ding nicht dauernd vergessen! Er lacht,
während der Boss, Eddie und Stef den Wacheraum verlassen.
Dann steht der Polizist einen Augenblick still. Er denkt
angestrengt nach und hat endlich die erlösende Idee, den
Gedankenblitz seiner Laufbahn, den er mit erhobener
Hand anzeigt, strahlend, wie wenn er Pic schon hinter Schloss
und Riegel hätte.
28. Affenkäfig
Aussen. Nah. Pic hinter Gitter, als ob des Polizisten Wunsch
sich erfüllt hätte. Zoom auf Halbtotale. Der Affenkäfig,
in dem Pic den Boden reinigt, wird sichtbar: Bitte nicht füttern.
Eine Schulklasse mit Lehrerin zieht lärmend am Gitter
vorbei. Die Kinder tragen alle kleine Rucksäcke wie auf der
Schulreise. Die vorderen grimassieren und zeigen auf
Pic, rennen aber dann doch der Klasse nach, die lärmend mit
der Lehrerin abgezogen ist. Hinter dem Gitter geht
an der Wand des Käfigs eine Schiebetür hoch. Pic wendet
sich erschreckt um, doch es ist nur der Knirps, den er
vorhin selbst in den Zoo geschmuggelt hat. Pic erleichtert:
Wo kommst denn du her?! Der Kleine mit tiefer,
ernster Stimme: Ich bin der Gorilla!
29. Gangster-Hauptquartier
Innen. Halbtotale, Interieur mit Polstersesseln. Der Boss
und Eddie haben Stef in die Mitte genommen. Sie sind mit der
Geduld am Ende. Der Boss: Vergisst er die Mappe!
So was wie dich, du blödes Huhn, das gibts ja gar nicht!!
Stef stammelt. Der Boss reisst ihm die Mappe weg.
Eddie zieht ihm eins über den Kopf, sodass Stef bewusstlos
nach rückwärts kippt.
30. Badewannen-Traum
Innen. Halbtotal und halbnah. Badezimmer mit Wanne.
Stef, mit dunkler Brille und gelbem Bademantel, steht neben
einem grossen roten Koffer. Er hebt die Mappe hoch,
aus der schier unendlich viele Banknoten flattern und sich
über Wanne und Koffer ergiessen. Als der monetäre
Fluss ein Ende nimmt, zieht Stef den Bademantel aus und
steigt in die Wanne wie andere Leute ins Wasser.
Er schwimmt im Geld. Überglücklich rührt er die Banknoten um,
raucht eine Zigarre, setzt eine Flasche Whisky an den
Mund, lacht ganz irre und feuert vor Freude mit der Pistole
dreimal in die Luft.
31.Gangster-Hauptquartier
Innen. Halbtotale. Interieur mit Polstersesseln. Stef
bewusstlos auf dem Teppich. Der Boss zieht die Pistole,
während Eddie noch mit Stef beschäftigt ist. Er richtet
den Lauf auf Eddie: Eddie, ein Vermögen soll man nie zersplittern,
hab ich schon immer gesagt, hörst du, Eddie, das musst
du dir merken, Eddie, für’s nächste Mal. Er drückt ab, doch es
geht kein Schuss los. Eddie dreht sich um. Er schiesst.
Der Boss drückt nochmals ab. Diesmal geht ein Schuss los.
Beide fallen mausetot auf Stef, der noch immer
bewusstlos auf dem Teppich liegt.
32. Nashörner
Aussen. Halbtotale. Im Vordergrund Pic beim Vespern.
Er sitzt im Gras und packt seine Tasche aus. Gleich hinter ihm
ein Nashorn, das ihm über die Schulter guckt. Es
fängt immer wilder zu scharren an, je mehr Esswaren Pic
im Vordergrund auswickelt. Der Graben zwischen
beiden ist nicht sichtbar. Pic packt überstürzt seine Sachen
zusammen und flieht. Im Hintergrund des Bildes verbleibt
das Nashorn im Morast, den Horizont bilden eine Mauer und die
geschwungenen Dachlinien eines modernen Betonbaues,
der im Prospekt des Zoos als das neue Nashornhaus aufgeführt ist.
33. Leichenschau
Innen. Halbtotale. Interieur mit Polstersesseln. Auf dem
Teppich Stef, unter Eddie und dem Boss begraben. Er erwacht
aus seiner Ohnmacht und blickt staunend um sich. Dann
arbeitet er sich unter den beiden Leichen hervor, ergreift finster
entschlossen die Mappe und haut ab.
34. Gartenschlauch
Aussen. Halbnah. Pic steht auf der Leiter an der Mauer
des Elefantenhauses. Er hantiert mit einem Wasserschlauch,
der erst nicht spritzt, dann zur Unzeit doch spritzt und
schliesslich völlig versagt. Pic wird in der Höhe oben von einer
Biene verfolgt, die ihn die Leiter herunter und ins
Auto treibt, mit dem er gleich wegfährt. Es ist eine clowneske Nummerneinlage wie jene mit den Seifenblasen auf dem
Putzkran an der Fassade des Hochhauses.
35. Café
Innen. Halbnah. Pic, nun ohne Latzhose, dafür mit
schönem Kittel, sitzt mit Lili an einem Tischchen in der Mitte
des Cafés. Er schäkert mit ihr und erzählt nebenher
Erlebnisse aus dem Zoo: Die heissen Faultiere, weil sie immer schlafen, seht ihr, Kinder, sagt die Tante. Das aber
nicht, sagt ein Knirps. Ja, das stimmt. Das aber nicht, muss
die Tante ihm Recht geben. Fragt der Knirps: Wieso
heisst das denn auch Faultier?! Hinten betritt der
Zeitungsverkäufer das Lokal, dessen Tischchen um diese
Zeit fast alle besetzt sind: Abendzeitung, Abendzeitung!
Einer kauft sie, dann ein zweiter. Schliesslich sind es fünf, dann
zehn. Auch neben Pic und Lili kauft ein Nachbar die Zeitung,
entfaltet sie und beginnt zu lesen. Die beiden wollen sich gerade
über den Glacé-Coupe mit Schlagrahm hermachen. Pic
fährt mit dem Löffel voller Rahm zum Mund, als er starren Blickes
die Schlagzeile auf dem Titelblatt der Zeitung mit seinem
Konterfei bemerkt: Falscher Fensterputzer stiehlt eine Million!
Pic packt sein Mädchen bei der Hand: Rasch, wir müssen
fort! Er legt das Geld hin und verlässt mit Lili das Lokal, vor dem
sein Reinigungs-Service parkiert ist. Lili unwillig: Was ist,
was hast denn plötzlich? Man sieht des Paar eine Sekunde lang
zögernd vor dem Café stehen, in dem sich bereits der erste Zeitungsleser nach Pic umschaut. Pic zerrt Lili zum Auto, sieht
aber den Polizisten, der dahinter auf ihn lauert. So rennen
die beiden auf die andere Seite, Lili sehr widerstrebend, der Polizist
siegesgewiss hinterher.
36. Perron
Aussen. Halbnah bis halbtotal. Bahnhofhalle. Perron mit Goldküstenexpress in der Kameraachse. Pic und Lili erreichen
im Eilschritt den Zug, der aussieht wie ein Roter Pfeil.
Bei der hintersten Tür hat sich eine Menschentraube gebildet.
Lili wieder: Was hast denn? Pic nur: Komm, schnell!
Die beiden drängen sich hinein und sind im Zug verschwunden,
als der Polizist auftaucht und ebenfalls einsteigt. Der Goldküstenexpress fährt an, als auf der anderen Seite Pic und
Lili wieder abspringen.
37. Bahnhof
Aussen. Halbnah. Im Bahnhofareal sitzt auf einer Wartebank
ein älterer Herr. Er liest die Abendzeitung, schaut auf
und erkennt den vorbeikommenden Pic , blickt nochmals auf
das Zeitungsfoto und fängt mit mickriger Stimme
ein Geschrei an: Da ist er! Da ist er! Pic schaut den Alten
verständnislos an. Einige Leute drehen sich um. Pic
zeigt auf den schreienden Alten. Eine korpulente Frau mit
einem mächtigen Bernhardinerhund an der Leine setzt
sich auf die Bank. Das dickfellige Tier wirft dem alten Schreihals
einen fragenden Blick zu. Der Alte auf der Bank sackt
in sich zusammen und verstummt augenblicklich. Lili sagt:
Was hat er nur! Sie wird von Pic weggezogen, der mit
ihr das Weite sucht, während die Neugierigen sich um den so
plötzlich verstummten Alten auf der Bank kümmern.
38. Kiosk
Aussen; Halbtotale. Links im Bild Mauer und ein
Lieferanten-Eingang zum Bahnhof-Buffet, rechts im Bild ein
Kiosk. In der Mitte eine Passage, die in die Bahnhofhalle
führt. Pic kommt mit Lili von links, sieht rechts am Kiosk einen
Herrn stehen, der die Zeitung liest, und verschwindet
mit dem Mädchen im Lieferanten-Eingang, als eine Gruppe
Leute von links ins Bild kommt.
39. Küche
Innen. Halbtotale. Küche des Bahnhof-Buffets, eine
abgeschlossene Welt mit eigenen Gesetzen. Es herrscht ein
derartiger Hochbetrieb, dass das eintretende Paar gar
nicht bemerkt wird. Lärm, Geklirr, Geschäpper und Geplärr.
Geschirr wird gewaschen, Speisen werden zubereitet.
Pic und Lili verstecken sich hinter grossen, vollen Kartoffelsäcken,
die von der Wand links her bis fast in die Küchenmitte
gestapelt sind. Im Hintergrund der Küche agiert ein dicker Koch,
der in mechanischer Bewegung die Hälse von den Poulets
trennt. Lili macht Pic eine Szene. Sie stampft mit dem Fuss: Jetzt
hab ich aber genug! Pic versucht, Lili zu beschwichtigen.
Er hält ihr die Hand auf den Mund. Sie wehrt sich: Lass mich los!
Pic steckt ihr eine Kartoffel in den Mund, die sie gleich wieder ausspuckt: Was glaubst du eigentlich! Jetzt reichts mir aber! Wenn
du jetzt nicht aufhörst, dann schrei ich! Pic schleicht sich
nach vorne zum Koch mit den Poulets. Auf dessen Tisch türmen
sich rechts die Hühner mit den Hälsen, links die Hühner ohne
Hälse. Der Koch führt eine eigenartige, fast maschinelle Bewegung
aus, in deren Verlauf er das grosse Tranchiermesser jeweilen
kurz ablegt. Pic hat sich angeschlichen und steht nun dicht hinter
ihm. Er versucht, das Tranchiermesser zu ergreifen, während
es kurz auf dem Tisch liegt. Im ersten Anlauf kommt er zu spät, im
zweiten gelingt es ihm. Als der dicke Koch wieder nach dem
Tranchiermesser langt, ist Pic damit hinter den Kartoffelsäcken
verschwunden. Lili zappelt wieder, unentwegt und noch lauter
als zuvor. Ein italienischer Küchenbursche nähert sich den zwei
Versteckten. Er füllt Kartoffeln in einen Kessel ab und geht
damit wieder zurück, ohne das Paar hinter den Säcken bemerkt
zu haben. Pic hat Lili solange das Tranchiermesser an den
Hals gehalten. Tatsächlich ist sie dabei verstummt und kreideweiss geworden. Nun, da die akute Gefahr vorüber ist, wimmert sie
leise vor sich hin. Pic bemerkt auf dem Küchenboden Bluttropfen.
Er hebt ängstlich Lilis Kinn, schaut es an, doch es ist
unverletzt. Erst jetzt bemerkt er, dass er sich selber in den
Finger geschnitten hat in derAufregung. Von der Strasse
her werden wieder Stimmen hörbar: Da vorne hat ihn einer
gesehen! Da ist er durchgegangen! Im Hintergrund der
Küche kratzt sich der dicke Koch am Bauch. Er kann nicht
begreifen, wo sein Tranchiermesser hingekommen ist.
So verdächtigt er den Küchenburschen und den Kellner, der
eben von hinten in die Küche getreten ist: Geh, wo
hobts denn mei Messa!? Gebts her oda i muass oich oans
zupfn!!! Der Kellner zeigt auf den Küchenburschen:
Er hats genommen! Er hats genommen! Der Küchenbursche:
Io non so! Io non so!! Der Koch fasst ihn am Hals und
knallt ihm eine mit der anderen Hand. Pic legt das Messer
unauffällig wieder zurück. Allmählich entfaltet sich
hinten eine ansehnliche Keilerei, die immer ärger wird und
zu einer Materialschlacht ausartet. Pic nimmt Lili derweil
bei der Hand: Bitte, ich bitte dich. Er flüchtet mit ihr durch die Tür.
40. Kiosk
Aussen. Halbtotale. Mauer, Passage, Kiosk wie vorhin.
Als Pic und Lili aus der Tür treten, kommt wie gerufen der Polizist
um die Ecke und zwingt die beiden zu neuem Eilschritt.
Sie rennen durch die Passage in den Bahnhof hinein.
41. Bahnhofhalle
Aussen. Halbtotale. Pic und Lili rennen davon. Der Polizist
ist dicht hinter ihnen. Zwischen Verfolgte und Verfolger schiebt
sich ein Schlepper mit zehn Gepäckwägelchen. Der Polizist
muss warten. Pic und Lili entkommen.
42. Kasse
Aussen. Halbtotale. Pic zieht Lili durch die Glastür ins
Bahnhofkino. Er löst an der Kasse zwei Karten und verschwindet
mit dem Mädchen treppauf.
43. Kino
lnnen. Totale. Schwenk. Pic kommt mit Lili in den dunklen
Kinosaal. Die Reihen sind offenbar gut besucht, das Publikum ist
voller Gelächter. Pic hebt den Blick zur Leinwand: Buster
Keaton kommt ganz allein eine lange Strasse dahergerannt.
Nach und nach verfolgen ihn ganze Hundertschaften
der Polizei. Die Szene entstammt der Slapstick Comedy The Goat
(Der Sündenbock) aus dem Jahr 1921. Pic sieht im
Geschehen auf der Leinwand die Verlängerung seiner eigenen
Situation. Er ist verwirrt und verstört. Das Gelächter im Saal
irritiert ihn. Er zerrt Lili zum Kinoausgang vorne rechts.
44. Schalter
Aussen. Halbtotale. Bahnhofhalle. In der Schlange von
Wartenden vor dem Billetschalter entdeckt Pic plötzlich Stef,
der sich dort mit der Mappe eingestellt hat. Er geht
geradewegs auf ihn zu, Lili hinter ihm her. Pic zu Lili: Das ist er,
da schau! Lili im Laufen: Was sagst du? Pic geht zu
Stef hin und greift nach seiner Mappe. Stef reisst sie an sich.
Pic schreit: Sie haben das Geld gestohlen! Polizei! Polizei!!
Der Polizist, der prompt auftaucht, kommt gewichtig auf Pic zu.
Vergeblich zeigt Pic auf Stef, welcher sich mit der Mappe
davonmacht. Plötzlich schaltet Stef vom Normalschritt ins Eiltempo
und nimmt die Mappe mit dem Geld auf die Schulter. Der
Polizist zieht den Knüppel gegen Pic, für den er sich weit mehr
interessiert: Dich kennen wir doch, du sauberes...
Pic weicht ihm aus und rennt hinter Stef her. Der Polizist
folgt ihm. Er hält sich hinter Pic an dritter Stelle.
Lili bleibt erst verwundert stehen, dann macht sie sich
ebenfalls auf die Verfolgung. Pic, der Verfolgte, ist
zum Verfolger geworden.
45. Rolltreppe
Aussen, Halbtotale. Bahnhofareal. Im Bild nebeneinander
vier Rolltreppen. Die beiden mit Grünlicht führen aufwärts, die
beiden mit Rotlicht führen herunter. Stef kommt mit der
Mappe über die aufwärts führende Rolltreppe herunter, da die
andern beiden von Passanten besetzt sind. Es braucht
eine ungeheure Kraftanstrengung, damit er überhaupt vom Fleck
kommt. Hinter ihm, auf der zweiten, ebenfalls aufwärts
führenden Rolltreppe kommt Pic nach unten. Dahinter erscheint
der Polizist und zuletzt Lili. Unten wendet Stef und spurtet
nun über die abwärts führende Rolltreppe wieder zurück, aufwärts zurück ins Bahnhofareal. Pic hält sich hinter ihm. Er rennt
ebenfalls mühsam aufwärts und kreuzt die herunterkommende
Lili in der Mitte der Rolltreppe, nicht ohne ihr eine Kusshand
zuzuwerfen.
46. Treppenaufgang
Aussen. Halbnah. Nacht, Kunstlicht. Wegweisertafel für
Tram und Bus, in der Betonmauer eine Zahlenuhr: 22.44 Uhr.
Ein steiler Betontreppenaufgang führt hinauf zur modernen
Hochbrücke. Stef erreicht ihn zuerst. Er stolpert aber nach einigen
Tritten, worauf Pic ebenfalls zu Fall kommt. Der Polizist,
der die Treppe als Dritter erreicht, stürzt auf die beiden
Vordermänner. Er zieht den Knüppel und will sich mit Pic, der
unter ihm liegt, beschäftigen. Die dazugekommene Lili
weiss das zu verhindern, indem sie sich an seinen Arm hängt.
47. Hochbrücke
Aussen. Halbtotale. Nacht, Kunstlicht. In der Kameraachse
eine moderne Hochbaubrücke im Stadtgebiet, darunter
die Häuser, rechts der Aufgang über die Betontreppe. Als erster
kommt Stef oben an und entfernt sich über die Brücke.
Hinter ihm erscheint Pic, der die Verfolgung wieder aufnimmt.
Es verstreichen einige Sekunden. Dann kommt der Polizist
mit Lili oben an, die sich beharrlich am Knüppel festklammert und
nicht loslassen will. Sie ringen zusammen, Lili geht in die
Knie, doch endlich lässt ihr der Polizist den Knüppel und rennt
den anderen beiden nach.
48. Plakatwand
Aussen. Halbnah. Nacht. Gut erleuchtet im Hintergrund
eine Plakatwand mit drei Malboro-Plakaten, die den
Bildausschnitt füllen: Top your day with flavor, Malboro flavor –
of course. Davor steht heulend Lili, die den Knüppel
in ihren zarten Händen hält: So ein beschissener Abend.
49. Stadion
Aussen. Halbtotale. Nacht. Stadioneingang. Kassahäuschen, Drahtgitter. Die Menge verlässt das Hallenstadion.
Von vorne kommt Stef ins Bild. Er wechselt die Mappe auf
die andere Schulter, drängt und wühlt sich gegen den
Strom der Leute, die aus dem Stadion kommen. Hinter ihm
kämpft sich Pic gegen die Menge ins Stadion hinein.
In der Masse werden vereinzelte Rufe laut: Hop! hop! Einer
sagt: Jetzt kommen die auch schon! Als auch der Polizist
sich gegen die Leute ins Stadion hineinzwängt, ruft einer: Bravo!
Nur immer fest drauf!
50. Durchgang
Innen. Halbnah. Hallenstadion, Durchgang zu den Rängen.
Alles menschenleer. Stef kommt von rechts und macht
eine kurze Verschnaufpause. Er lehnt sich an die Mauer beim
Durchgang und stellt die Mappe neben seine Füsse auf
den Boden. Dann geht er durchs Durchgangstor E ab, kommt
aber gleich wieder, ergreift die Mappe und bemerkt irritiert
die Aufschrift, die über seinem Kopf verkündet: Das Mitnehmen
von Flaschen in die Ränge ist verboten. Schnell ergreift
Stef nun die Mappe mi dem Geld und verschwindet in die leeren Ränge, über denen noch die Rauchschwaden im Flutlicht
hängen.
51. Rennbahn
Innen. Totale mit Blick ins Hallenstadion, vor dessen leeren
Rängen im Bildvordergrund Stef mit der Geldmappe, Pic
und der Polizist das schräge, schöne Oval der Radrennbahn
abspurten. Die drei Figuren drehen sich halbnah im
Kreise, die Kamera fährt langsam mit.
52. Gegenkurve
Innen. Vorne auf der Piste halbnah die Figuren, dahinter
die leeren Ränge des Stadions. Die Sprinter taumeln nur noch.
Stef stürzt mit der Mappe. Pic überspringt ihn und rennt
weiter. Der Polizist kann nicht mehr bremsen und fällt über Stef,
dessen Mappe aufspringt und ganze Bündel von Banknoten
die schräge Piste herunterrutschen lässt.
53. Gitter
Aussen. Halbnah bis Halbtotal. Nacht. Pic verlässt das
Hallenstadion durch das Drahtgittertor bei den Kassahäuschen.
Von rechts nähert sich ein Securitaswächter mit Stumpen, Taschenlampe und deutschem Schäferhund. Er schliesst auch
dieses letzte Tor des Stadions noch ab und geht dann
weiter seiner Tour nach. Von links kommt nun Lili ins Bild,
Pic erkennt sie. Beide fallen um die Arme und küssen
sich. Von ihnen unbemerkt nähert sich hinter dem Gitter der
Polizist, in der einen Hand die Mappe mit dem Geld,
an der anderen Hand per Handschelle den unglücklichen Stef.
Doch das Gitter ist verschlossen, und die beiden sind
dahinter. Der Polizist stellt die Mappe ab, nimmt den Hut vom
Kopf und kratzt sich. Als das Liebespaar im Vordergrund
sich voneinander löst, bemerkt Pic seine Gefangenen und sagt
stolz zu Lili: Siehst du, das wollte ich dir schon die
ganze Zeit erklären. Damals, als ich dich kennenlernte...
Sie gehen Arm in Arm aus dem Bild. Pic hat die
Sprache wiedergefunden, endlich kann er sich erklären.
Der Polizist und Stef bleiben ratlos hinter dem Gitter.
54. Fernsehen
Innen. Halbnah. Wohnzimmer. Vorne unten der Sofarand,
dahinter die Köpfe von Pic und Lili, hinten in der Mitte
zwischen ihnen der Bildschirm eines Fernsehgerätes. Der
Nachrichtensprecher berichtet das Neueste vom Tage:
In selbstlosem Einsatz ist es diesem Polizeibeamten gelungen
den wahren Millionendieb aus dem Büro-Hochhaus von
Ärmel & Ärmel nach halsbrecherischer Verfolgungsjagd zu stellen.
Der Bildschirm zeigt Fotos von Stef und dem Polizisten,
doch Pic und Lili hören schon nicht mehr hin. Sie stecken auf
dem Sofa die Köpfe zusammen, umarmen einander und
wenden sich anderen Dingen zu, was man freilich nur vermuten
kann, weil ihre Köpfe hinter dem Sofarand bald verschwinden.
Ende
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