Joseph Highmore, Pamela,1743–44. Pamela schreibt: Aber

da ich kein Geräusch mehr höre, halte ich es für nutzlos und komme zurück, setze mich auf die Bettkante und ziehe mich aus.


Jeder eine Fackel in der Hand   weiter   zurück



ENTFÜHRT


Pamela, die Mr. B. entführen und festhalten

lässt, schreibt: Acht Uhr abends fahren wir in den Innenhof dieser noblen, grossen, alten und

einsamen Liegenschaft ein, wie geschaffen für

Isolation und Misshandlung.



               Neil Coke, Jeder eine Fackel in der Hand. Roman.

               Dienstag, 27. November 1739


Alles bleibt liegen, denkt Richardson, und das ist auch

gut so. Er denkt das jedes Mal, wenn er in der Ecke den Stapel

erblickt, den Stapel unerledigter Korrespondenz.

Gleichwohl nimmt er den Brief von Reverend Dr. Patrick Delany

in die Hand, der neuerdings obenauf liegt.

      Nein, denkt Richardson. Er ist nicht da, er hat keine Lust

einen Brief wie den von Delany zu beantworten, er ist auf einem anderen Boot, er ist in seinem Roman, er wird von

Pamela toll fortgetrieben, er verbringt Abend für Abend in seinem Grotto. Vor zweieinhalb Wochen, am 8. November 1739,

hat Delany aus Dublin geschrieben:

      Lieber Sir, die Bilanz, die ihr zur Polygamy zieht, widerspiegelt

vielleicht nur ein notwendiges Abflauen der Eitelkeit der

Autoren, die bereitwillig der Vorstellung anhängen, sie hätten

ein Recht darauf nach dem Verdienst ihrer Arbeit und

der Güte ihrer Absichten gewürdigt zu werden.

      Es ist jedoch ihr Trost, so wie es ist, dass sich das Urteil

der Öffentlichkeit selten zu ihren Gunsten verändert, besonders

wenn die paar besseren Kritiker es sanktionieren, und es

ist nur zu natürlich sich an jene halten, deren Meinung man teilt.


Jeder hat mehr Urteilsvermögen

Ich gebe gerne zu, dass jeder, der sein Geld für etwas

ausgibt, mehr Urteilsvermögen als ich davon hat, wie er es ausgibt. Wenn das Werk nicht wert ist gekauft zu werden,

soll es doch wert sein akzeptiert zu werden, besonders wenn

ein Aussenstehender es eindeutig empfiehlt.

      Und deshalb wünsche ich, ihr schickt dies sauber gebunden,

beschriftet und auf der Rückseite vergoldet an jeden,

dem The Life of David geschickt wurde, und eines an jedes College

in jeder Universität, wo sie, wenn sie einmal sterben

werden, mit vielen besseren Werken begraben werden mögen,

woraus sie, wenn sie zu leben für wert befunden werden,

eines Tages mit einer besseren Meinung auferstehen mögen.

      Ich kann diesen Brief nicht beschliessen, ohne euch

zu versichern, dass ich ein sehr lebhaftes Gefühl für eure

Freundschaft zu mir und ein aufrichtiges Verlangen

ihrer Fortdauer bis zum Tod habe.

      Wenn es möglich, richtig und passend ist, wünsche ich,

dass ihr mich mit einer aufrichtigen Bilanz darüber unterstützt,

welche Aufnahme David  und welche Ermutigung oder

Entmutigung die Fortsetzung des Werkes wahrscheinlich findet.

      Ein beträchtlicher Teil davon ist druckfertig und ich hoffe

bis Weihnachten das Ganze.

      Ich bin, lieber Sir, euer hochachtungsvoller Freund und Diener

Pat. Delany


Abflauen der Eitelkeit

Vier Bände, denkt Richardson. Vier Bände hat Delany

zu The Life of David vorgesehen. Wo ist der Verleger, den dabei

nicht schaudert?

      Aber schon steht Elizabeth Richardson, seine Ehefrau,

in der Tür, mit ihr Elizabeth Midwinter, ihr Kindermädchen.

Sie sind gekommen um die Fortsetzung der Geschichte

von Pamela zu hören.

      Ein notwendiges Abflauen der Eitelkeit der Autoren

könnte Delany vielleicht nicht schaden, denkt Richardson,

als er den Brief auf den Stapel zurücklegt. Aber

ein notwendiges Abflauen der Eitelkeit ist nicht das, was er

selbst in diesen Tagen braucht.

      Er hat vom Ufer abgelegt. Es gibt kein Zurück. Er ist mit

den Briefen der von ihrem Herrn bedrängten, jungen, schönen

Pamela, die er in rasendem Tempo aufs Papier wirft,

ein gutes Stück vorangekommen.


Hängt ihr Perversitäten an

Die Frauen haben Platz genommen, und Richardson

liest ihnen ohne jede weitere Erklärung vor, was Pamela

geschrieben hat.

      Mrs. Jervis zeigt meinem Herrn die Weste, die ich

für ihn noch zuende schneidere, und er sagt: „Das sieht ganz

gut aus. Ich denke, das Ding bleibt am besten, bis sie

die Weste fertig hat.”

      Sie hat auf mich eingeredet zu bleiben und ergeben

zu sein, wie sie sagt. „Aber was hab ich gemacht, Mrs. Jervis?

Denkt ihr, ich hätte mich je vergessen, hätte er nicht

vergessen sich wie mein Herr zu verhalten? Wie könnte ich

bleiben und sicher sein? Wie würdet ihr euch in

meinem Fall verhalten?”

      „Meine liebe Pamela”, sagt sie und küsst mich. „Ich weiss

nicht, wie ich mich verhalten würde. Der Herr ist ein

feiner Gentleman, hat Witz und Verstand und ist bekannt mit

einem halben Dutzend Ladies, die glücklich über seine

Zuneigung wären, wie ich weiss.“

      „Er hat ein nobles Vermögen, und doch glaube ich,

mehr als all die Ladies im ganzen Land liebt er mein gutes

Mädchen, auch wenn sie bloss sein Dienstmädchen ist.

Aber gleichzeitig ist er mächtig wütend über euch, Pamela,

hängt euch zwanzig Perversitäten an und wundert sich

über seine eigene Verrücktheit euch eine solche Zuneigung,

wie er sagt, entgegengebracht zu haben.”


Ich will das neue Kleid anziehen

„Nein, Mrs. Jervis, ich liebe euch dafür nicht”, sage ich.

„Ihr überredet mich, ihn zu bitten bleiben zu dürfen, obwohl ihr

wisst, welches Risiko ich eingehe. Nein, nein, ich muss

gehen, soviel ist sicher. Es ist jetzt Donnerstagmorgen, und

nächsten Donnerstag will ich weg sein.”

      Ich will nach dem Essen das neue Kleid anziehen, ich sehne

mich danach es zu tragen. Ich weiss, ich werde Mrs. Jervis damit überraschen, denn bevor ich fertig angezogen bin, bekommt

sie mich nicht zu sehen.

      Vielleicht erlaubt mein Herr, dass John mich nach Hause

bringt. Ich könnte hinter ihm herreiten, glaube ich,

denn er ist sehr vorsichtig und aufrichtig. John sagt mir, dass

ihr meine Heimkehr mit Ungeduld erwartet.

      Aber er sagt auch, er hätte euch gesagt, er hoffe, es würde

etwas geschehen um es zu verhindern. Ich bin froh, dass

ihr ihm nicht gesagt habt, warum ich nach Hause komme. Denn

wenn sie es erraten, ist es besser, als wenn sie es

von euch oder mir erfahren.

      Ausserdem macht mich besorgt, dass mein armer Herr

solche Gedanken an ein Ding wie mich verschwendet. Denn

von der Schande abgesehen hat seine Laune sich

gedreht. Und ich glaube langsam, er mag mich und kann nichts

dafür und gibt sich Mühe sich zu bezwingen und findet

kein anderes Mittel, als mit mir böse zu sein.

      Nach dem Essen gehe ich hinauf und schliesse mich in der

Kammer ein um mich in mein neues Kleid zu zwängen, so gut ich

kann. Ich setze die kleine, runde Mütze mit dem grünen

Knoten auf, ziehe mein selbstgemachtes Kleid an, den Unterrock,

dazu schlichte Schuhe aus Spanish Leather, wie man sagt,

und meine Strümpfe, die einfach sind im Vergleich zu dem, was

ich zuletzt getragen hab.

      Aber ich denke, ein gutes Garn wird es für den Alltag tun,

wenn ich zuhause bin. Ich nehme die Ohrringe ab, lege mir das selbstgenähte Muslinhalstuch und die schwarze Halskette

statt der französischen um, die meine Lady mir gegeben hat.


Ich hab mich noch nie so gemocht

Und als ich einigermassen ausstaffiert bin, nehme ich meinen

Strohhut mit seinen zwei blauen Bändern in meine Hand

und betrachte mich stolz im Spiegel. Ich hab mich, um die Wahrheit

zu sagen, mein Lebtag noch nie so gemocht.

      Ich gehe hinunter um Mrs. Jervis zu suchen und zu sehen,

wie sie mich findet. Als ich auf der Treppe bin, treffe ich Rachel,

unser Hausmädchen, die einen Knicks macht und mich,

wie ich finde, nicht erkennt.

      So lächle ich und gehe zum Salon der Haushälterin. Und

dort sitzt die gute Mrs. Jervis bei der Arbeit, damit beschäftigt

einen Fleck zu entfernen. Und es ist kaum zu glauben,

auch sie erkennt mich nicht, erhebt sich aber, nimmt ihre Brille

ab und sagt: „Ihr wollt zu mir, nicht wahr?”

      Ich muss lachen und sage: „Hey, Mrs. Jervis! Was, ihr

erkennt mich nicht?” Sie steht erstaunt da, schaut mich von

Kopf bis Fuss an und sagt: „Ihr überrascht mich

aber! Was! So verwandelt, Pamela? Wie kommt das?”

      In diesem Augenblick kommt zufällig mein Herr herein,

ich stehe mit dem Rücken zu ihm, und er denkt, eine Fremde unterhielte sich mit Mrs. Jervis, zieht sich zurück und

hört nicht, wie Mrs. Jervis ihn fragt, ob euer Ehren ihr etwas aufzutragen hätten.

      Sie dreht mich um und um, und ich zeige ihr mein

ganzes Kleid bis zum Unterrock, und sie sagt, indem sie sich

setzt: „Wie mich das verblüfft, ich muss mich setzen.

Was hat das zu bedeuten?” 


Wer ist das hübsche Fräulein?

Ich sage: “Ich hab keine passenden Kleider, wenn ich in

mein Elternhaus zurückkehre. Und da ich bald weggehe, will ich

hier schon mal beginnen, damit alle Mitbediensteten sehen,

wie ich mich der Situation anpasse, in die ich zurückkehre.”

      „Tja”, sagt sie. „Ich hab noch nie jemanden wie euch gekannt.

Aber diese traurige Vorbereitung der Abreise, denn ich

sehe jetzt, ihr meint es ernst, mit der kommt ihr nicht durch.

Oh, meine liebe Pamela, könnte ich mit euch gehen!”

      Mein Herr läutet im hinteren Salon, und so ziehe ich mich

zurück, und Mrs. Jervis geht um ihm aufzuwarten. Er soll ihr gesagt haben: „Ich bin gekommen um euch zu sagen, dass ich

nach Lincolnshire und vielleicht zu meiner Schwester Davers

gehen und ein paar Wochen abwesend sein werde.

Aber bitte, wer war das hübsche Fräulein eben bei euch?”

      Sie lächelt und fragt, ob euer Ehren nicht wüssten,

wer das sei. „Nein”, sagt er. „Ich hab sie nie zuvor gesehen. Und Farmer Nichols oder Farmer Prady, die haben kein so knackiges Mädchen als Tochter wie die oder? Obwohl, ich hab noch

nicht mal ihr Gesicht gesehen”, sagt er.

      „Wenn es euer Ehren nicht stört”, sagt Mrs. Jervis,

„so stelle ich sie euch vor. Denn ich denke, sie übertrifft

noch unsere Pamela.”

      Dafür kann ich mich bei Mrs. Jervis nicht bedanken,

wie ich ihr hinterher auch sage (mir bringt das nämlich eine

Menge Ärger ein und Bösartigkeit dazu). „Das geht

nicht”, lässt er sich herbei zu sagen. „Aber wenn ihr einen

Vorwand findet, lasst sie hereinkommen.”


Wirklich, ich bin Pamela, sie selbst!

Drauf tritt Mrs. Jervis zu mir und sagt, ich müsste mit ihr

zu meinem Herrn kommen. „Aber um Gottes willen”, sagt sie.

„Lasst ihn selbst herausfinden, wer ihr seid. Denn er

kennt euch nicht.”

      „Meine Güte, Mrs. Jervis”, sage ich. „Was habt ihr mir da

eingebrockt? Wirklich, das ist zu dreist für ihn und mich.”

Mrs. Jervis sagt: „Ich sage euch, ihr kommt mit rein und gebt

euch bitte nicht zu erkennen, bis er euch erkennt.”

      Ich gehe also hinein, ich Verrückte. Er hätte mich, wenn

nicht jetzt, so doch irgendwann ohnehin gesehen. Und sie sorgt

dafür, dass ich meinen Strohhut in meiner Hand halte.

Ich mache einen Knicks, sage aber kein Wort.

      Ich glaube allerdings, er hat mich erkannt, als er mein

Gesicht sieht, aber er ist teuflisch schlau. Er tritt auf mich zu,

nimmt mich bei der Hand und sagt: „Wer ist das hübsche

Mädel? Ich glaube fast, ihr seid Pamelas Schwester. Ihr gleicht

ihr so. So ordentlich, so sauber, so hübsch! Mein Kind,

ihr übertrefft bei weitem eure Schwester Pamela!”

      Ich bin völlig durcheinander und will etwas sagen,

aber er ergreift mich am Nacken. Er sagt: „Ihr seid sehr hübsch,

mein Kind. Bei eurer Schwester traute ich mich nicht

so frei zu sein, das könnt ihr mir glauben, aber ich muss

euch küssen.” Ich sage: „Oh, Sir, ich bin Pamela, ich bin es echt! Wirklich, ich bin Pamela, sie selbst!”


Euch verkleiden um mich zu reizen

Er küsst mich, ohne dass ich etwas tue, und sagt:

„Unmöglich! Ihr seid ein liebenswerteres Mädchen als Pamela.

Ihr täte ich den Gefallen nicht. Aber mit euch darf ich

in aller Unschuld so frei sein.”

      Für mich ein böser Stich, darauf bin ich nicht gefasst.

Mrs. Jervis sieht wegen ihrer Dienstbarkeit aus wie eine

Verrückte, genauso wie ich selbst. Zuletzt renne

ich, betroffen, wütend, aus dem Salon.

      Er spricht eine Zeit lang mit Mrs. Jervis und verlangt zuletzt,

dass ich zu ihm komme. „Herein”, sagt er. „Ihr kleine Schurkin!”

So fährt er über mich her, mein Gott, mit solchen Namen!

      Er sagt: „Wer ist es, an dem ihr eure Tricks ausprobiert?

Ich war entschlossen eure Unwürdigkeit nie mehr mit solcher Aufmerksamkeit zu belohnen. So müsst ihr euch

verkleiden um mich zu reizen oder zu tun als ob, ihr Heuchlerin.”

      Ich verliere die Fassung. „Halt, guter Herr”, sage ich.

„Werft mir nicht Verkleidung vor. Und Heuchelei. Nicht das.

Denn ich hasse beides in meiner Schäbigkeit. Ich hab mich nicht verkleidet.”

      Er sagt: „Auf welche Finte –” Das ist sein Wort. „– wollt ihr mit

diesem Kleid hinaus?” „Bitte, euer Ehren”, sage ich.

„Ich will auf eins der ehrenwertesten Dinge der Welt hinaus.

Verkleidet hab ich mich, seit meine gute Lady, eure

Mutter, mich von meinen Eltern holte.“

      „Ich kam so arm und schäbig zu ihr, dass diese Kleider,

die ich anhab, ein fürstliches Kostüm sind im Vergleich zu dem,

was ich anhatte. Sie hat mich in ihrer Güte überhäuft

mit reichen Kleidern und anderen Belohnungen.“

      „Und da ich nun bald zurückgehe zu meinen armen Eltern,

kann ich die guten Dinge nicht tragen, ohne ausgelacht zu werden.

So hab ich mir gekauft, was besser zu meinem Stand passt

und als Kleidung für die Reise, wenn ich nach Hause gehe.”


Stolz. Perversität. Rachsucht.

Er nimmt mich in seine Arme und stösst mich von sich weg.

„Mrs. Jervis”, sagt er. „Nehmt die kleine Hexe von mir

weg. Ich kann sie nicht ertragen. Und ich kann sie nicht lassen!

Aber bleibt”, sagt er. „Ihr sollt nicht gehen! Wärt ihr

bloss schon weg! Nein, kommt zurück.”

      Ich denke, er ist übergeschnappt, alles wegen mir.

Er weiss nicht, was er will. Als ich gehe, kommt er mir nach

und packt mich an meinem Arm und will, dass ich

zurückkomme. Er drückt meinen Arm blau und schwarz, kein

Zweifel, die Markierungen sind noch immer da. „Sir,

Sir”, sage ich. „Erbarmt euch bitte. Ich komme, ich komme zurück!”

      Er setzt sich und sieht mich an und blickt, denke ich,

ebenso dumm, als sei er ein armes Mädchen wie ich. Zuletzt

sagt er: „Tja, Mrs. Jervis, wie ich euch sagte, ihr müsst

sie noch ein wenig länger ertragen, bis ich sehe, ob meine

Schwester Davers sie haben will, falls sie sich in der

Zwischenzeit ergeben zeigt und dies als ein Entgegenkommen

sieht und ihr die Keckheit leid tut und die Freiheit, die sie

sich mit mir erlaubt hat, im Haus und ausserhalb.”

      Mrs. Jervis sagt: „So haben euer Ehren es mir gesagt.

Aber ich fand nie, dass es ihre Schuld ist.” Er sagt: „Stolz und Perversität und Rachsucht! Das ist euer Trumpfblatt. Tja, aber ich springe über meinen Schatten.


Hört ihr, wie sie mir zurückgibt!

„Das sage ich euch, Flittchen”, wendet er sich mir zu.

„Ihr könnt noch vierzehn Tage bleiben, bis ich meine Schwester

Davers sehe. Habt ihr gehört, was ich sage? Könnt ihr

nicht danke sagen?”

      „Euer Ehren schüchtern mich so ein, dass ich kaum

reden kann. Aber ich hab nur die eine Bitte nach Hause

zu gehen zu Vater und Mutter.”

      Er sagt: „Warum, ihr Verrückte, wollt ihr nicht auf meine

Schwester Davers warten?” „Sir”, sage ich. „Ich habe

das mal als Ehre betrachtet, aber ihr fandet damals, ich sei

vor dem Neffen der Lady nicht sicher. Oder er vor mir?”

      „Was für eine Unverschämtheit!” sagt er. „Hört ihr,

Mrs. Jervis, wie sie mir zurückgibt!”

      Er wurde so wütend, dass ich aus dem Salon lief. Es war

ein Glück, dass ich ihm aus dem Weg kam, sagte Mrs. Jervis.

Was ist es, das ihn so provoziert? Fast tut er mir leid.

Jedenfalls bin ich froh hier wegzukommen, denn langsam

bekomme ich Angst.


Denn ich bekomme sie

Mr. Jonathan hat mir soeben diese Zeilen zugesteckt:

Liebe Mrs. Pamela, passt auf euch auf, denn Rachel hörte,

wie mein Herrn zu Mrs. Jervis sagte, die sich, wie sie

meint, für euch einsetzte: „Sagt nichts mehr, Mrs. Jervis. Denn

ich bekomme sie.” Verbrennt dies sofort.

      Ich mochte niemanden mehr sehen und ging zu Mrs.

Jervis ins Schlafzimmer, sie sass auf einer Seite des Bettes,

ich auf der anderen, wir waren dabei uns auszuziehen. Glücklicherweise hab ich nichts von Mr. Jonathans Zettel

gesagt, ich hab jetzt alle in Verdacht.

      Um bei ihr zu sondieren, sage ich: „Mrs. Jervis, was soll

ich eurer Meinung nach tun? Ihr seht, jetzt will er, dass ich auf

Lady Davers warte.”

      „Tja, Pamela, ich sage euch offen”, sagt sie, „und was ich

jetzt sage, behält ihr für euch: Es ist mein Herr, der immer wieder wünschte, dass ich auf euch einwirke, damit ihr ihn

bittet bleiben zu dürfen.”

      „Still!” sage ich. „Mrs. Jervis, hört ihr das Rascheln

in der Kammer?” „Nein”, sagt sie. „Eure Ängste, Pamela, sind

überall!” „Ich habe aber ein Rascheln gehört!” sage ich.

„Vielleicht ist es die Katze”, sagt sie. „Aber ich höre nichts.”


Als ich halbnackt hingehe, kommt mein Herr

Ich halte mich still, aber sie sagt: „Bitte macht, dass ihr

ins Bett kommt. Und schaut nach, ob die Tür zu ist.” Das tue ich

und habe vor in der Kammer noch nachzusehen.

      Aber da ich kein Geräusch mehr höre, halte ich es für nutzlos

und komme zurück, setze mich auf die Bettkante und ziehe

mich aus. Und Mrs. Jervis, inzwischen entkleidet, steigt ins Bett und bittet mich endlich auch zu kommen, da sie schläfrig sei.

      Ich weiss nicht, was los ist, mein Herz ist voll dunkler

Befürchtung. Aber genügt dazu nicht Mr. Jonathans Notiz und

was Mrs. Jervis soeben gesagt hat?

      Ich ziehe mein Korsett, meine Strümpfe und meinen

Unterrock aus, aber als ich erneut ein Geräusch höre,

will ich in der Kammer nachsehen, und als ich halbnackt hingehe,

oh Schreck! kommt mein Herr in einem teuren, silberseidenen

Morgenmantel herausgezischt.

      Ich schreie und renne ins Bett, und auch Mrs. Jervis

schreit, und er sagt: „Ich tue euch nichts, hört auf zu schreien,

sonst könnt ihr etwas erleben.” Er springt sogleich ins

Bett, in das ich geschlüpft bin, nimmt mich in seine Arme

und sagt:

      „Mrs. Jervis, steht auf und geht hinaus auf die Treppe

und haltet die Mädchen davon ab wegen dem Lärm herunterzukommen. Ich werde dieser Rebellin nichts antun.”

      „Um Gottes willen, Mrs. Jervis”, sage ich. „Wenn ihr

mich nicht reingelegt habt, verlasst mich nicht. Und weckt das

ganze Haus, ich flehe euch an.”


Erklärt euch morgen, wenn ihr müsst!

„Nein, ich verlasse euch nicht, ich rühre mich nicht von

der Stelle”, sagt Mrs. Jervis und hält meine Hüfte umklammert.

„Ich wundere mich über euch, Sir”, sagt sie. „Ihr werdet ihr

nichts tun. Ich gebe mein Leben um sie zu verteidigen.”

      Er ist zornentbrannt und droht sie aus dem Fenster zu

werfen und sie morgen zu entlassen. „Das braucht ihr nicht,

Sir”, sagt sie. „Denn in diesem Haus bleibe ich nicht.

Möge Gott Pamela bis morgen verteidigen, wir werden

zusammen weggehen.”

      Er sagt: „Lasst mich euch erklären, Pamela.” „Bitte,

Pamela”, sagt Mrs. Jervis. „Hört nicht auf ihn, bis er aus dem

Bett ist und ans Ende des Zimmers geht.” „Hey, aus

dem Zimmer”, sage ich. „Erklärt euch morgen, wenn ihr euch

erklären müsst!”

      Ich finde seine Hand in meinem Busen, und ich bin

bereit zu sterben, falls meine Angst soweit geht. Und ich seufze

und schreie und werde ohnmächtig. Und noch immer

hält er mich fest mit seinen Armen an meinem Nacken, und

Mrs. Jervis liegt zu meinen Füssen.

      Und alles an mir ist kalt und feucht und klebrig. „Pamela,

Pamela!” sagt Mrs. Jervis und gibt einen Schrei von sich. „Oh,

Pamela ist sicher tot!” Das war ich eine Zeit lang auch.

      Denn ich kann mich an nichts erinnern, ich hatte immer

wieder mein Bewusstsein verloren, bis ich drei Stunden später,

wie sich herausstellt, im Bett aufwache, wo auf einer

Seite eingewickelt Mrs. Jervis sitzt, auf der anderen Rachel,

aber kein Herr.

      Der Dreckskerl ist weg. Ich bin so überfroh, dass ich es

nicht glauben kann. Und ich sage, das sind meine ersten Worte:

„Mrs. Jervis, Mrs. Rachel, seid wirklich ihr das?”


Papier. Federkiele. Tintenfass.

Es kommt der langersehnte Donnerstagmorgen, an dem

ich entlassen werde. Ich hab mich am Vorabend von meinen Mitbediensteten verabschiedet, und es wurde ein

tränenreicher Abschied für uns alle, denn Männer wie Frauen

weinten aus Anteilnahme mit mir.

      Was mich anging, so wurde ich von Tränen und ihrem

Ausdruck der Wertschätzung überwältigt. Sie wollen mir alle

kleine Geschenke als Zeichen ihrer Liebe überreichen,

aber von den niederen Bediensteten, das ist klar, nehme ich

nichts an.

      Mr. Longman schenkt mir aber mehrere Yard Leintuch,

eine silberne Schnupfdose und einen goldenen Ring, den er mich

für ihn aufzubewahren bittet. Er weint meinetwegen, sagt

aber: „Ich bin sicher, eine so gute Maid wird Gott schützen. Auch

wenn ihr zu eurem armen Vater und seinem niedrigen Stand zurückkehrt, die Vorsehung wird euch doch finden und eines Tages, auch wenn ich es nicht mehr erlebe, werdet ihr belohnt.”

      „Oh, lieber Mr. Longman”, sage ich. „Ihr beschenkt mich

zu reich, und doch hab ich eine Bitte. Könnt ihr mir nicht etwas

Papier geben, da ich oft werde schreiben wollen? Sobald

ich zuhause bin, schreibe ich euch einen Brief um euch für all die Freundlichkeit zu danken, und einen Brief an Mrs. Jervis.”

      Und er gibt mir vierzig Blatt Papier, ein Dutzend Federkiele,

ein Tintenfass, Wachs und Siegelmarken.


Ich sinke fast in den Boden

„Oh, lieber Sir”, sage ich. „Wie kann ich euch danken.”

Er sagt: „Mit einem Kuss.” Und den gebe ich ihm bereitwillig.

      Rachel und Hannah weinen bei meinem Abschied, und

Jane, die mitunter ein wenig kratzbürstig sein kann, und Cicely

weinen ebenfalls. Auch Arthur, der Gärtner, unser Robin,

der Kutscher, und Lincolnshire Robin, der mich mitnehmen soll,

haben Tränen in den Augen.

      Unsere anderen drei Diener, Harry, Isaac und Benjamin,

sind ebenfalls sehr gerührt, ebenso die Stallknechte und Gehilfen. Tommy, dem Küchenburschen, laufen Tränen nur so übers

Gesicht. Sie haben am Vorabend alles zusammengepackt in der Annahme, dass sie am Morgen mit anderem beschäftigt

sein könnten.

      Alle wollen mir die Hand geben, die Mädchen küsse ich auch.

Gott behüte sie. Ich danke ihnen für all die Liebe und

Freundlichkeit, die sie mir erwiesen haben, aber ich sehe mich

genötigt früher als vorgesehen zu gehen, weil ich es

nicht mehr aushalte. Ich kann einfach nicht mehr!

      Harry (ich hab daran nicht gedacht, denn er ist, wie sie

sagen, ein bisschen wild) weint oder schluchzt. Der

arme rechtschaffene John ist noch nicht zurück und der Butler,

Mr. Jonathan, hat nicht bleiben können.

      Auch Mrs. Jervis hat die ganze Nacht geheult, aber ich

hab sie getröstet, so gut ich konnte. Und sie verspricht mir, dass

sie mich für eine Woche zu sich holt, wenn mein Herr

nach London zur Parlamentssitzung oder nach Lincolnshire fährt.

      Sie hat mir Geld geben wollen, aber ich hab es nicht

genommen. Tja, und am Morgen wundere ich mich, dass der

arme, rechtschaffene John noch immer nicht da ist. Ich

kann mich nicht von ihm verabschieden und ihm für seine

Höflichkeit danken, vermutlich hat mein Herr ihn

weggeschickt.

      Als Mrs. Jervis mir schweren Herzens sagt, Wagen

und vier Pferde seien bereit, sinke ich fast in den Boden, sosehr

sehne ich mich bei euch zu sein.


Er legt stürmisch los

Mein Herr harrt im oberen Stockwerk aus und verlangt

nicht mich zu sehen. Ich bin darüber ganz froh, aber der falsche

Kerl weiss, dass ich nicht ausser Reichweite sein werde.

Er steht am Fenster um mich gehen zu sehen.

      In der Passage zum Tor, seinem Blickfeld entzogen,

stehen sie alle, aufgestellt in zwei Reihen, auf beiden Seiten

haben wir uns nichts weiter zu sagen als „Behüt euch

Gott” und „Behüt euch Gott!”

      Harry trägt mein drittes Bündel, wie ich es nenne, zur

Kutsche, Cake und Diätbrot, die sie über Nacht für mich

gebacken haben, kandierte Früchte und Kanarenweinflaschen,

die Mrs. Jervis mir in einen Korb gesteckt hat.

      Nochmals küsse ich die Mädchen, gebe den Männern

die Hand, nur Mr. Jonathan und Mr. Longman fehlen, weil sie

die Stufen zur Kutsche hinuntergeeilt sind. Mrs. Jervis

weint heftig.

      Als ich die Kutsche besteige, schaue ich hoch und sehe

am Fenster meinen Herrn in seiner Robe, ich mache dreimal

einen Knicks und bete für ihn mit erhobenen Händen,

da ich nichts sagen kann, und er senkt den Kopf in meine

Richtung, und da freue ich mich noch sehr, dass er

mir soviel Beachtung schenkt.

      Die Tränen sind mir zuvorderst, als ich einsteige, und ich

kann ihnen tränenüberströmt nur mit meinem weissen

Taschentuch zuwinken, bis Robin zuletzt anfährt. Er legt stürmisch

los und fährt aus dem Hof hinaus, und nur zu rasch stelle

ich fest, dass ich Grund zu tiefster Besorgnis habe.


Seltsam, solange unterwegs zu sein

Tja, sage ich zu mir selber, nach Stand der Dinge werde

ich bald schon bei Vater und Mutter sein. Und als ich, wie ich

finde, den halben Weg hinter mir habe, denke ich an die

guten Freunde, die ich zurückgelassen hab.

      Und bei einem Halt zur Fütterung der Pferde, wie Robin

mir sagt, denke ich, es ist höchste Zeit meine Augen zu trocknen

und mich drauf zu besinnen, zu wem ich unterwegs bin.

      Und so hänge ich den Gedanken nach, wie ich mit euch

zusammensein werde, wie ihr beide euch freuen werdet mich

nach all den Gefahren, denen ich ausgesetzt war, sicher

und unschuldig wieder bei euch zu haben. Und ich beginne

mich selbst zu trösten und die düsteren Gedanken

aus meinem Kopf zu verbannen, auch wenn sie dann und wann

wieder zurückkehren.

      Nun, ich glaube, um acht Uhr morgens bin ich losgefahren,

und als es etwa zwei Uhr ist, wie ich in einem kleinen Ort,

durch den wir kommen, an der Kirchturmuhr sehe, wundere ich

mich, dass ich mich immer weniger auskenne.

      Mittag! stutze ich. Es ist seltsam für eine Wegstrecke

von wenig mehr als zwanzig Meilen in dieser Geschwindigkeit

solange unterwegs zu sein! Aber Robin kennt den Weg,

denke ich, wie um mich zu vergewissern.


Schwitzende, schäumende Pferde

Schliesslich hält er an und sieht sich um, als hätte er

sich verfahren. Und ich sage: „Mr. Robert, ihr habt euch sicher verfahren!” „Ich fürchte, das hab ich”, sagt er. „Aber viel

kann es nicht sein. Ich werde die erste Person fragen, die ich sehe.”

      „Tut das bitte”, sage ich. Und er gibt seinen Pferden

einen Büschel Heu. Und ich gebe ihm etwas Cake und zwei Glas Kanarenwein. Insgesamt hält er vielleicht eine halbe Stunde

an. Dann fährt er sehr schnell wieder weiter.

      Ich beginne den Gefahren nachzusinnen, in die ich

geraten war, aber ich zweifle nicht daran ihnen entronnen

zu sein.

      Ich denke an meine besten Freunde, zu denen ich unterwegs

bin, und an die vielen Dinge, die ich euch erzählen muss,

sodass ich nicht auf den Weg achte, und aus meinen Meditationen gerissen werde, als ich bemerke, wie die Sonne untergeht,

und der Mann noch immer weiter und weiter fährt mit seinen schwitzenden, schäumenden Pferden.

      Auf einmal bin ich alarmiert und rufe ihm und er sagt,

er hätte fürchterliches Pech, denn er sei mehrere Meilen vom Weg abgekommen, aber jetzt sei er richtig, und er werde es

noch schaffen, bevor es ganz dunkel werde.

      Mir ahnt Böses, ich bin sehr müde, denn ich hab mehrere

Nächte nicht geschlafen, schliesslich sage ich: „Bitte,

Mr. Robert, die Stadt, die vor uns liegt, wie heisst die? Wenn

wir soweit vom Weg abgekommen sind, machen wir

dort besser Rast, denn es wird bald Nacht.”

      Er sagt: „Ich bin gleich da, es ist nur noch eine Meile von

der Stadt vor uns entfernt.” „Nein”, sage ich. „Ich kann mich

täuschen, denn es ist eine Weile her, seid ich hier

unterwegs war. Aber ich bin sicher, das Gesicht der Landschaft

erinnert mich an nichts.”


Oh, ihr Schuft

Er tut, als sei er selbst höchst ungehalten, weil er den

Weg verfehlt hat. Schliesslich hält er bei einer Farm hinter dem

Dorf, das ich gesehen hab, es ist fast dunkel, er steigt

aus und sagt: „Wir müssen hier einen Wechsel machen. Ich

bin ziemlich geschafft.”

      Farmersfrau, Magd und Tochter kommen heraus

und sagen: „Was führt  euch zu dieser Nachtzeit hierher,

Mr. Robert? Und mit einer Lady dazu?” Ich bekomme

langsam entsetzlich Angst. „Bitte, Fräulein”, sage ich. „Kennt

ihr Mr. B. von Bedfordshire?”

      Der falsche Kutscher will sie hindern zu antworten, aber die

Tochter sagt: „Ja, sicher. Er ist meines Vaters Gutsherr.”

Ich sage: „Tja, dann bin ich erledigt, endgültig erledigt!” Zum

Kutscher sage ich: „Oh, ihr Schuft, was hab ich euch

getan, dass ihr mich so reinlegt?”

      Er sagt: „Es tut mir leid, dass die Aufgabe mir zufiel, aber

was hätte ich tun sollen? Macht das Beste draus. Das

sind zivile, respektable Leute. Ihr werdet hier sicher sein, das versichere ich euch.”

      Ich sage: „Lasst mich raus hier. Ich werde zur Stadt

zurückgehen, durch die wir gekommen sind, auch wenn es

spät ist. Hier komme ich nicht rein.”

      Die Farmersfrau sagt: „Ihr werdet hier gut behandelt,

das verspreche ich euch. Hier habt ihr mehr Bequemlichkeit

als irgendwo im Dorf.”

      Ich sage: „“Es geht nicht um Bequemlichkeit. Ich bin

betrogen worden und erledigt! Ihr, die ihr selbst eine Tochter

habt, sagt mir: Wird der Gutsherr, wie ihr Mr. B. nennt,

ebenfalls hier sein?” Sie sagt: „Nein, ich versichere euch, das

wird er nicht.”


Meine Leidenschaft. Eure Hartnäckigkeit.

Dann kommt der Farmer, ein gutmütiger Mann, ernst,

gutes Benehmen, und er redet mit mir in einer Art, die mich ein bisschen beruhigt. Und da nichts dagegen spricht, trete

ich ein, und sogleich führt mich die Farmersfrau treppauf ins beste Zimmer und sagt, das wäre meines, solange ich bliebe.

      Und niemand solle in meine Nähe kommen, es sei denn

ich rufe. Ich werfe mich aufs Bett, müde, zu Tode verängstigt fast,

um dem ärgsten Anfall von Kummer, den ich je hatte,

freien Lauf zu lassen!

      Die Tochter kommt herauf und sagt, Mr. Robert hätte

ihr einen Brief für mich gegeben. Und da ist er.

Ich erhebe mich und sehe, es sind Handschrift und Siegel

von dem Dreckskerl, meinem Herrn, adressiert

an Mrs. Pamela Andrews.

      Das ist immer noch besser, als ihn selbst hier zu haben.

Die gute Frau bietet mir einen Magenlikör an, was ich akzeptiere,

denn ich sacke völlig ab und suche mich in einem

Stuhl ein bisschen aufzurichten, wenn auch nur schwach.

      Sie bringen zwei Kerzen, machen aus Reisig ein Feuer

und sagen: „Wenn ihr ruft, kommt sofort jemand.” Dann gehen

sie und überlassen mich meiner traurigen Lage, damit ich

meinen Brief lese, wozu ich zuerst nicht in der Lage bin. Aber

nachdem ich ein wenig zu mir komme, finde ich darin

diese Worte:

      Liebe Pamela, die Leidenschaft, die ich für euch empfinde,

und eure Hartnäckigkeit zwingen mich dazu euch in

einer Art zu behandeln, die euch Ärger und Strapazen bereiten

wird, und das an Seele und Körper.


Unterwegs zu dem Ort, den ich euch anweise

Und doch, mein liebes Mädchen, verzeiht mir! Auch

wenn ich zu diesen Mitteln greife, will ich euch bei allem, was

gut und heilig ist, ehrenhaft behandeln. Ihr sollt eure

Ängste nicht erleiden, um zu einem Verhalten gebracht zu

werden, das den Ruf von uns beiden schädigt.

      Der Ort, an dem ihr dies bekommt, ist eine Farm, die mir

gehört. Und die Leute hier sind zivil, ehrlich und verbindlich.

      Ihr werdet jetzt zum Ort unterwegs sein, den ich

euch als eure Bleibe anweise für einige Wochen, bis ich einige Angelegenheiten gemanagt hab, die mich euch in ganz

anderem Licht erscheinen lassen werden, als ihr aus der überstürzten Aktion womöglich schliessen müsst.

      Um euch zu überzeugen, dass ich euch nichts antun

will, versichere ich, dass das Haus, in das ihr kommt, soweit

zu eurer Verfügung steht, dass nicht mal ich es ohne

eure Erlaubnis betreten werde.

      Also macht’s euch bequem, seid schweigsam und vorsichtig.

Eine Wende zum Glücklicheren wird euch für diese eure

Troubles mehr belohnen, als ihr das gegenwärtig für möglich hält.

      Ich bedaure die Strapazen, die ihr erleidet, wenn ihr

an dem von mir bestimmten Ort diese Zeilen in die Hand

bekommt, und ich werde eurem Vater schreiben um ihn

zu beruhigen, dass euch nichts Unehrenhaftes widerfährt von

Eurem leidenschaftlichen Bewunderer (so nenne ich mich).

      PS: Denkt nicht zu hart von dem armen Robin. Aber ihr

habt alle meine Bediensteten sosehr für euch eingenommen,

dass ich annehme, sie gehorchten eher euch als mir. Und widerstrebend hat der Bursche sich dieser Aufgabe unterzogen.

      Ich sah mich genötigt ihn meiner ehrenwerten Absichten

euch gegenüber zu versichern, die ich voll und ganz einzulösen gedenke, sofern ihr mich nicht zu Massnahmen zwingt,

die mir gegenwärtig äusserst zuwider sind.


Mit einem Henkersblick

Dieser Brief soll mich bloss für den Augenblick

beruhigen, ich begreife das nur zu gut. Aber da eine Gefahr,

die zu befürchten ich Grund habe, für mich nicht unmittelbar

besteht, und er versprochen hat, nicht zu mir zu kommen, und euch, meinen lieben Eltern, zu schreiben um eure Besorgnis zu beschwichtigen, fühle ich mich ein bisschen ruhiger als zuvor.

      Ich gebe mir Mühe einen Bissen von dem Suppenhuhn

zu essen, das sie mir gebracht haben, und ich trinke ein Glas

aus meinem Proviant und biete auch ihnen eins an.

      Aber als ich das getan hab, bin ich schon wieder

ein bisschen aufgeregt, denn der Kutscher kommt herein mit

einem Henkersblick, wie ich finde. Er redet mich seltsam

an und sagt, er bitte morgens um fünf bereit zu sein für die

Weiterreise, sonst komme er zu spät.

      Das bedrückt mich einigermassen, denn ich fing an

ihn halbwegs zu leiden, wie die Dinge nun mal stehen, und

hoffte statt weiterzureisen sie auf meine Seite zu ziehen.

      Als er sich zurückzieht, gehe ich auf den Farmer und

seine Frau zu, aber leider haben sie ebenso wie ich einen Brief ausgehändigt bekommen, so nagelsicher hat der Teufel

sein Werk angelegt, und sie schütteln nur ihre Köpfe vor Mitleid

mit mir, wie es scheint. Und ich muss diese Hoffnung begraben.


Gelegentlich erkenntlich zeigen

Der Farmer zeigt mir jedoch seinen Brief, der endgültig

die Verschlagenheit des üblen Herrn zeigt, und wie er zu meinem

Ruin entschlossen scheint, scheut er doch keine Mühe,

mir jede Hoffnung zu nehmen, mich selbst aus seiner Gewalt

befreien zu können. Der Brief lautet:

      Farmer Norton, ich schicke euch für eine Nacht

und gegen ihren Willen eine junge Gentlewoman, die sich

tief auf eine Liebesaffäre eingelassen hat, was

ebenso ihr Ruin ist wie der jener Person, mit der sie sich

verloben will.

      Um ihrem Vater einen Gefallen zu tun, hab ich Anweisung

gegeben, sie in eins meiner Häuser zu verbringen,

wo sie gut behandelt wird. Durch Trennung und Vorhaltung

soll sie dazu gebracht werden, ihr eigenes Interesse

zu erkennen.

      Ich bin sicher, ihr werdet sie um meinetwillen

freundlich aufnehmen. Sie selbst wird diese Angelegenheit

allerdings nicht gutheissen, da sie auf Vorsicht und

Verschwiegenheit keinerlei Wert legt.

      Für alle Troubles, die euch in dieser Angelegenheit

entstehen, werde ich mich bei nächster Gelegenheit erkenntlich

zeigen, und bin

Euer Freund und Diener.


Alles abgrundtiefe Heuchelei

Das ist es, was er an den Farmer schreibt, und für mich

ist das in der Tat zu vertrackt. Er hat gesagt, dass ich

die angebliche Liebesaffäre nicht aufgebe. So sorgt er dafür,

dass sie mir nicht glauben, was immer ich sage.

      Da sie seine Pächter sind, die ihn lieben (denn er hat

einige gute Eigenschaften, die sie an ihm schätzen), sehe ich

mich in meinem Plan ausgestochen und gezwungen

umso weniger zu sagen.

      Ich weine bitterlich, als ich sehe, dass ich gegen ihn

nicht ankomme. Der Farmer ist so angetan von Mr. B.’s Brief

an ihn, dass er seine Hilfe und Besorgnis für mich zu

rühmen beginnt, mir abrät ohne Rat und Zustimmung von

Freunden mich auf Vergnügungen einzulassen und

mich für eine Lektion zur Besserung seiner Tochter benutzt.

      Ich bin froh das Gespräch zu beenden, denn ich sehe,

er wird mir nicht glauben.

      Ich lasse aber meinem Fahrer ausrichten, ich sei zu müde,

um am nächsten Morgen so früh aufbrechen zu können. Aber er besteht drauf und sagt, es würde meine Tagesreise

leichter machen.

      Und ich stelle fest, dass er ein treuerer Diener seines

Herrn ist, ungeachtet dessen, was dieser von seinem Widerstreben geschrieben hat und was ich mir gewünscht hätte. Mehr

und mehr stelle ich fest, dass alles abgrundtiefe Heuchelei ist

und aufs schlimmste abgekartet


Niemand anderer erwartet mich

Natürlich hätte ich ihnen seinen Brief an mich zeigen

können, der seinen Brief an sie komplett widerlegt. Aber ich

halte es für unwahrscheinlich sie auf meine Seite

ziehen zu können. Und da ich so bald zu gehen habe, denke

ich, es wird wenig bringen mit ihnen näher auf die

Angelegenheit einzutreten.

      Abgesehen davon sehe ich, dass sie nicht dazu neigen

mich länger bleiben zu lassen, aus Angst ihm nicht gefällig zu

sein. So gehe ich zu Bett, finde aber sehr wenig Schlaf.

Und frühmorgens veranlassen sie ihre Magd mich in der Kutsche

fünf Meilen weit zu begleiten, worauf sie zu Fuss zurückgeht.

      Als ich in der Kutsche unterwegs bin, nehme ich mir

in Gedanken vor, am Freitagmorgen, wenn wir in eine Stadt

kommen um die Pferde zu füttern, mich im Gasthof

der Wirtin anzuvertrauen, wenn ich eine Chance sehe, und ihr

den Fall zu schildern.

      Ich will mich weigern weiterzureisen. Ist doch bloss der

Schurke von Kutscher, den ich gegen mich habe.

      Tja, ich bin ganz eingenommen von dem Vorhaben

und voller Hoffnung auf die eine oder andere Art aus der Falle herauszukommen. Aber oh! der abgekartete Schuft hat

auch das vorhergesehen. Denn als wir unterwegs in einer grossen Stadt anlangen um einen Bissen zu Mittag zu essen, und

ich endgültig entschlossen bin mein Vorhaben auszuführen, wer

sollte es sein, den er im Gasthof platziert hat?

      Niemand anderer als die schlimme Mrs. Jewkes erwartet

mich. Und ihre Schwägerin ist die Wirtin. Und sie hat ein kleines Mittagessen für mich vorbereitet.


Keine Kriegslist, die mich heraushaut

Das finde ich heraus, als ich die Wirtin ansprechen will.

Ich hab den Gasthof kaum betreten. Sie kommt zu mir, und ich

sage: „Ich bin ein armes, unglückliches, junges Ding, das

bei euch Rat und Hilfe sucht. Und ihr scheint die gute Art von Gentlewoman zu sein, die einer unterdrückten

Unschuld beisteht.”

      „Ja, Madam”, sagt sie. „Ich hoffe, ihr habt recht. Und ich

schätze mich glücklich, etwas von dem zu verstehen, wovon

ihr redet. Bitte, ruft meine Schwester Jewkes.”

Jewkes! Jewkes! denke ich. Den Namen hab ich doch

schon gehört. Und er gefällt mir nicht.

      Drauf erscheint das durchtriebene Stück, das ich

bis auf das eine Mal nie gesehen hab, und ich bin zutode

erschrocken. Keine Kriegslist, denke ich, nicht eine,

die ein armes, unschuldiges Mädchen heraushaut! Sollte sich alles gegen mich wenden? Das ist in der Tat hart.

      So beginne ich, wie man sagt, meine Fühler einzuziehen.

Denn ich bin jetzt noch schlimmer dran als zuvor

beim Farmer. Mit einem Anflug von Vertraulichkeit tritt die

schreckliche Frau auf mich zu und küsst mich.

      „Schau an, Schwester”, sagt sie. „Was für ein charmantes

Ding! Brächte sie nicht den besten Lord im ganzen Land dazu

mit ihr durchzubrennen!” Oh, Schreck! denke ich. Hier

gibt sich die Angelegenheit auf einmal zu erkennen (denn sie

lässt mich nicht aus den Augen)!

      Ich bin geliefert, das steht fest! Und so bin ich

ziemlich schweigsam und verwirrt. Und da ich mit keinerlei Hilfe rechnen kann, bin ich gezwungen mich mit ihr in die

Kutsche zu setzen, denn sie kommt zusammen mit einem

Bediensteten mit, der den Rest des Weges auf

ihrem Pferd neben uns herreitet.

      Und nun lasse ich alle Gedanken an eine Erlösung fahren

und bin wirklich in einer verzweifelten Lage.


Zwei Personen eines Geschlechts

Nun, denke ich, das sind befremdliche Mittel eine

arme, junge Unschuld zu ruinieren, eine hilf- und wertlose

Person. Dieser Anschlag ist zu gut und von zu langer

Hand vorbereitet, als dass er sich, fürchte ich, vereiteln lässt.

      Ich setze dann aber mein Vertrauen in Gott, von

dem ich weiss, dass er fähig ist, alles für mich zu tun, sollten

alle anderen, möglichen Mittel versagen. Ihm will

ich mich anvertrauen.

      Ihr werdet schon sehen! Und doch, oh! mich bringt

das um, denn ich weiss gar nicht, ob ihr das, was ich hier

schreibe, je zu lesen bekommt oder nicht! Sonst

würdet ihr hier zu sehen bekommen, was für eine Art von Frau

diese Mrs. Jewkes ist, verglichen mit der guten Mrs. Jervis.

      In der Kutsche starrt sie mir dauernd ins Gesicht,

drückt meine Hand und sagt: „Ihr seid sehr hübsch, meine schweigsame Kleine.” Einmal bietet sie an mich zu küssen,

aber ich sage: „Mrs. Jewkes, ich mag dieses Benehmen

nicht. Es gehört sich nicht für zwei Personen eines Geschlechts.”

      Sie verfällt in ein sehr vertrauliches Lachen und sagt:

„Das ist hübsch gesagt. Ich wette, dann wollt ihr lieber, dass

das andere Geschlecht euch küsst? Ist es so, kann ich

es euch nur empfehlen.”

      Mich haben ihre Impertinenz und dreiste Art schrecklich

genervt. Kein Wunder, war sie bei einem Gastwirt Haushälterin,

ehe sie zu meinem Herrn kam. Diese Art von Ding ist,

wie ihr wisst, nicht auf Vertrauen aus.


Der feinste Gentleman in fünf Grafschaften

Tatsächlich äussert sie bei zwanzig Plaudereien

kein ernsthaftes Wort und sagt zwei oder drei Mal, als sie

unterwegs sieht, wie Tränen immer wieder meine

Backen herunterlaufen: „Muss äusserst weh tun, echt, wenn der gepflegteste und feinste, junge Gentleman in fünf

Grafschaften einen liebt!”

      Ich sehe, ich bin einer üblen Kupplerin in die Hände

gefallen. Und wenn ich bei der guten Mrs. Jervis schon nicht

sicher war, wo alle mich liebten, was für ein

schreckliches Schicksal hab ich zu erwarten in den Händen

einer Frau, die sich in solchen Unflätigkeiten gefällt!

      Acht Uhr abends fahren wir in den Innenhof dieser noblen,

grossen, alten und einsamen Liegenschaft ein, die mit

dem Horror ihrer bräunlich schattierten, stolzen Elmen und Pinien rundherum aussieht wie geschaffen für Isolation und

Misshandlung, so denke ich bei ihrem Anblick.

      Ich fürchte, sage ich zu mir selbst, das hier wird

die Szene meines Ruins werden, schützt Gott der Allmächtige

mich nicht.


Jeder eine Fackel in der Hand   weiter  zurück